Großbritannien

Hersteller reagieren auf Zuckersteuer

nb/pm
Gesellschaft
Ab dem 6. April gilt in Großbritannien eine neue Steuer auf stark gezuckerte Getränke. Kinderärzte und Ernährungsexperten begrüßen die "Zuckersteuer" und fordern auch in Deutschland effektivere Maßnahmen gegen Übergewicht.

Ab dem 6. April müssen Getränkehersteller in Großbritannien eine Abgabe bezahlen, wenn ihre Limonaden besonders viel Zucker enthalten. Laut der Verbraucherschutzorganisation foodwatch zeigt die sogenannte Zuckersteuer bereits Wirkung: "Die führenden Getränkeunternehmen Coca-Cola, Britvic, Lucozade Ribena Suntory, die Handelskonzerne Tesco und Lidl, der Nahrungsmittelkonzern Nestlé sowie mehrere kleinere Getränkehersteller haben seit Ankündigung der Herstellerabgabe im März 2016 den Zuckergehalt etlicher Produkte deutlich gesenkt", berichtet foodwatch.

Die britische Softdrink-Abgabe beträgt 18 Pence (20 Cent) pro Liter, wenn das Getränk 5 g oder mehr Zucker pro 100 ml enthält. Ab 8 g Zucker steigt sie auf 28 Pence (32 Cent). Bereits im März 2016 hatte Großbritannien diese Regelung angekündigt.

Der britische Marktführer Coca-Cola hat den Zuckergehalt seiner Getränke Fanta und Sprite seitdem unter die 5-Gramm-Marke gesenkt (Fanta von 6,9 auf 4,6 Gramm und Sprite von 6,6 Gramm auf 3,3 Gramm). In Deutschland enthalten Fanta und Sprite aktuell jedoch noch immer mehr als 9 Gramm Zucker.

Britvic, der Branchenzweite in Großbritannien, hat den Zuckergehalt vieler Produkte ebenfalls reduziert, so dass 94 Prozent seiner Markenprodukte nun weniger als 5 Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten. Auch der Hersteller Lucozade Ribena Suntory hat den Zuckergehalt in sämtlichen Produkten unter die 5-Gramm-Marke gesenkt.

Hersteller senken Zuckergehalt konsequenter als erwartet


Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat angekündigt, dass drei seiner San Pellegrino-Limonaden ab April 2018 ebenfalls weniger als 5 Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten werden. In Deutschland enthalten die gleichen San Pellegrino-Produkte jedoch zwischen 9,7 und 11,8 Gramm Zucker.


Laut dem staatlichen Office for Budget Responsibility (OBR), das den britischen Staatshaushalt überwacht, haben die Hersteller den Zuckergehalt ihrer Getränke damit schneller und konsequenter gesenkt als erwartet. So erwartet das OBR in seinem aktuellen Report nur noch die Hälfte der ursprünglich berechneten Steuereinnahmen aus der Herstellerabgabe. Während die britische Regierung 2016 noch von 520 Millionen Pfund Steuereinnahmen für 2018 und 2019 ausging, rechnet das OBR nun mit weniger als 240 Millionen Pfund Einnahmen. Die britische Regierung hat angekündigt, die Steuereinnahmen zweckgebunden für die Förderung des Schulsports und des Schulessens verwenden zu wollen.


foodwatch kritisiert jedoch, dass viele britische Hersteller den Zucker in ihren Getränken durch Süßstoffe ersetzt haben. "Rezepturänderungen sollten darauf abzielen, nicht nur den Gehalt von Zucker, sondern den Süßgeschmack insgesamt zu verringern, um der allgemeinen Süßgewöhnung bei Kindern und Jugendlichen entgegen zu wirken", fordert die Verbraucherorganisation in einer Stellungnahme. Daher sollte die Herstellerabgabe in Deutschland – genauso wie in Frankreich – auch süßstoffgesüßte Getränke mit einbeziehen.



"Nur Deutschland will sich anscheinend nicht mit der Getränkeindustrie anlegen!"

foodwatch forderte Ernährungsministerin Julia Klöckner und Finanzminister Olaf Scholz auf, in Deutschland ebenfalls eine Herstellerabgabe auf übersüßte Getränke einzuführen und im Gegenzug Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer zu befreien.

"Großbritannien reiht sich neben Irland, Portugal, Estland, Belgien, Norwegen, Mexiko, Südafrika und Frankreich in die immer länger werdende Liste von Ländern ein, die mit steuerlichen Anreizen aktiv gegen Fehlernährung, Fettleibigkeit und Diabetes vorgehen", betont Luise Molling von foodwatch. "Nur Deutschland will sich anscheinend nicht mit der Getränkeindustrie anlegen und schaut lieber tatenlos zu, wie die Hersteller kiloweise Zucker in ihre Produkte kippen."

Auch die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) fordert Maßnahmen, um den hohen Softdrink-Konsum zu senken. „Wir dürfen nicht weiter zusehen, wie durch überzuckerte Produkte die Gesundheit unserer Kinder gefährdet wird. Und das gilt nicht nur für Softdrinks“, sagt Kinder-und Jugendarzt PD Dr. med. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. In Deutschland liege der Konsum von Softdrinks weiterhin auf hohem Niveau. "11- bis 17-Jährige trinken im Durchschnitt täglich über 300 Milliliter Cola, Fanta oder Ähnliches – fast eine ganze Dose!", schreibt DANK in einer Stellungnahme. "Dies entspricht 30 Gramm Zucker, etwa so viel wie in zwei Handvoll Gummibärchen enthalten sind."

"Mehrwertsteuer für Softdrinks auf 29 Prozent anheben"

„Mit Appellen an die Eltern ist dieser Trend nicht aufzuhalten“, sagt Rodeck, „hier ist die Politik gefordert.“ Projekte zu gesunder Ernährung in Schulen reichen in keiner Weise, um den riskanten Trend zu stoppen: „Wir brauchen Maßnahmen, die dauerhaft sind und die ganze Bevölkerung erreichen."

DANK fordert, in Deutschland den Mehrwertsteuersatz für Softdrinks von derzeit 19 Prozent auf 29 Prozenz anzuheben. Für ungesunde Produkte, wie Fertigpizzas sollte der Satz auf 19 Prozent (statt heute 7 Prozent) steigen. Im Gegenzug sollten dafür Obst und Gemüse (heute 7 Prozent) gänzlich von der Mehrwertsteuer befreit werden.

Eine Studie der Universität Hamburg [Effertz, Tobias, 2017: Die Auswirkungen der Besteuerung von Lebensmitteln auf Ernährungsverhalten, Körpergewicht und Gesundheitskosten in Deutschland, Universität Hamburg] hatte berechnet, welche Auswirkungen diese Staffelung auf die Ernährung und das Körpergewicht hätte. Ergebnis: Der Anteil stark übergewichtiger Menschen würde nicht weiter ansteigen, sondern bei Männern um circa 8 Prozent und bei Frauen um 3 Prozent sinken.

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