Interview mit Dr. Fritz-Josef Willmes zu seinem 80. Geburtstag

"Mein Hauptjob war es, die Einheit des Berufstandes wiederherzustellen!"

pr
Gesellschaft
Dr. Fritz-Josef Willmes, von 1993 bis 2000 Präsident der Bundeszahnärztekammer, ist 80 Jahre alt. Im zm-Interview schaut er auf seine Amtszeit zurück. Deutlich wird: Die Themen, die die Zahnärzte heute bewegen, waren schon damals aktuell.

Herr Dr. Willmes, vor Ihrem Amtsantritt existierten für einige Zeit zwei untereinander zerstrittene Kammerverbände auf Bundesebene. Warum war das so – und was war die Folge?

Dr. Fritz-Josef Willmes: Im September 1990, auf der Hauptversammlung des damaligen Bundesverbandes der Deutschen Zahnärztekammern (BDZ) gab es einen Eklat: Die Kammern Bayern, Nordrhein und Niedersachsen traten aus dem BDZ aus und gründeten zusammen mit der Kammer Sachsen-Anhalt eine Arbeitsgemeinschaft Deutscher Zahnärztekammern (ADZ). Grund waren unterschiedliche Auffassungen über Strategien des Berufsstandes zur Gesundheitspolitik.

Die Trennung zog sich über mehr als zweieinhalb Jahre. Die Folge: Eine berufspolitische Lähmung, die Verbände waren zerstritten, ein Großteil unserer Kräfte wurde von den internen Querelen aufgezehrt, obwohl wir sie im Außen gebraucht hätten.

Das passierte in einer Zeit, wo sich gravierende gesundheitspolitische Umschwünge abzeichneten. So etwa im geplanten Gesundheitsstrukturgesetz (GSG), bei dem es um mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen ging. Für uns Zahnärzte besonders schmerzhaft: die geplante Einführung der Budgetierung.

In dieser Situation wurden Sie 1993 zum Präsidenten gewählt. Was erwartete Sie in diesem Amt?

Ja, ich wurde am 23. Januar auf der Bundesversammlung in Münster gewählt, mit überwältigender Mehrheit, was von einem großen Vertrauensbeweis der Delegierten zeugte. Übrigens, die Wahl erfolgte – ganz symbolträchtig - im Friedensaal des Rathauses in Münster, wo auch der Dreißigjährige Krieg beendet wurde. Dort beendeten die deutschen Zahnärzte auch ihre Trennung - mit der Neugründung der Bundeszahnärztekammer.

Meine Aufgabe war es – wie ich es nenne – die feindlichen Brüder wieder an einen Tisch zu bringen und die Einheit des Berufsstandes nach innen zu festigen. Wir bekamen eine neue Satzung, und maßgebliche Standespolitiker aus beiden „Lagern“ wurden in die Gremienarbeit eingebunden. Zunächst gab es ein Riesenmisstrauen auf beiden Seiten. Aber wir kehrten schon bald – mit Blick nach vorne – zu einer sachorientierten Interessensvertretung zurück. Mein Hauptjob war es also, die Einheit des Berufstandes wiederherzustellen.

Das waren die Herausforderungen nach innen. Und welche standen nach außen hin an?

Ganz wichtig war mir der Kontakt zur Politik. Ich war kontaktfreudig, habe unglaublich viele Gespräche mit maßgeblichen Politikern geführt. Mit manchen kam ich gut aus – mit anderen weniger. Ich habe schnell gemerkt, dass man eine Engelsgeduld haben und lernen musste, dicke Bretter zu bohren. Mit schnellen Erfolgen war da nichts zu holen.

Ich habe auch schnell gemerkt, dass die Zahnärzte im politischen Geschehen als nicht so wichtig angesehen waren. Deswegen auch mein starkes Bemühen, mich bei den Politikern für die Wertschätzung des Berufsstandes einzusetzen. Ich habe auf breiter Basis für Sympathie und Verständnis für die Zahnärzte geworben. Aber: Wir Zahnärzte konnten auch manchmal sehr unbequem werden und opponieren. Harte politische Auseinandersetzungen – zum Beispiel zum Thema Budgetierung – haben wir nicht gescheut.

Wichtig war mir auch die Öffentlichkeit: Das Ansehen der Zahnärzte war schlecht, deswegen hatte eine vertrauensvolle Öffentlichkeitsarbeit und der Kontakt zu den Medien für mich einen hohen Stellenwert.

Welche inhaltlichen Themen beschäftigten den Berufsstand damals ganz zentral?

Es ging um Themen, die auch heute noch für den Berufsstand Dauerbrenner sind: Zum Beispiel GOZ, Approbationsordnung, zahnärztliche Berufsausübung oder Bürokratie. Ein ganz zentrales Thema war die Weiterentwicklung des Konzeptes der Vertrags- und Wahlleistungen.

Wir sind immer wieder von der Politik aufgefordert worden, auf Veränderungen in Politik und Gesellschaft nicht nur zu reagieren, sondern eigene, neue Konzepte zu entwickeln. Das haben wir mit der Weiterentwicklung des Konzepts getan, der Ansatz war richtig und mündete letztlich in das heutige Konzept der befundorientierten Festzuschüsse mit Kostenerstattung. Die BZÄK hat hier kräftig mitgearbeitet und die KZBV unterstützt.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt war die Prävention. Während meiner Amtszeit führten wir beispielsweise 1995 einen großen Kongress „Prophylaxe ein Leben lang“ durch. Es ging darum, einen präventiven Ansatz bei der Behandlung über den gesamten Lebensbogen hinweg zu wählen. Der Ansatz hat heute noch Gültigkeit.

Das Thema war mir sehr wichtig, die Zahnärzte konnten schon damals im internationalen Vergleich gute Erfolge vorweisen. In den 50 Jahren, in denen ich praktiziert habe, ist da viel passiert. Es macht richtig Spaß, sich heute das Gebiss eines 12- oder 15-Jährigen anzuschauen.

Das ging aber alles nicht im Alleingang der BZÄK, oder?

Stimmt: Eine große Rolle spielte der Schulterschluss der Zahnärzteschaft insgesamt. Dazu gehörte die KZBV genauso wie der Freie Verband. Und: Wir brauchten die Wissenschaft. Deshalb bauten wir Kontakt zur DGZMK auf und banden sie in unsere Gremienarbeit ein. Ein Vertreter der DGZMK ist – bis heute übrigens – bei den BZÄK-Vorstandssitzungen mit dabei.

Welchen Wert hatte für Sie die internationale Arbeit?

Durch meine Gremienarbeit im Freien Verband war ich schon früh in den internationalen Bereich eingebunden. Ein Blick über den Tellerrand der heimischen Berufspolitik war für mich immer schon sehr aufschlussreich. Ich war langjähriges Mitglied der deutschen Delegation im Weltzahnärzteverband FDI. 1995 wurde ich in den FDI-Rat gewählt.

Nach dem Mauerfall und Fall des Eisernen Vorhangs kamen dann verstärkt zahnärztliche Organisationen aus den osteuropäischen Ländern zu uns und informierten sich über das deutsche zahnärztliche Versorgungssystem. Die BZÄK schloss Kooperationsabkommen mit Tschechien und Polen, und es gab regelmäßige Konferenzen mit Zahnärztekammern Zentraleuropas. Unser großes Thema war es, den Vertretungen dort die Idee der Freiberuflichkeit und die Vorteile des selbstverwalteten Kammerwesens darzulegen.

Ein ganz zentraler Punkt war für mich immer die Bedeutung der europäischen Politik für den Berufsstand. Europäische Themen beeinflussen zunehmend das Geschehen im deutschen Gesundheitswesen und damit unsere Berufsausübung - das haben wir schon früh erkannt. Ich nenne nur Stichworte, wie Bürokratie oder die Anerkennung von Diplomen. Deshalb hat die Bundeszahnärztekammer 1993 ein Büro in Brüssel gegründet, um die Präsenz der deutschen Zahnärzte dort zu stärken und auszubauen.

Welche Aspekte empfanden Sie in Ihrer Amtszeit als bereichernd?

Also, was mir in der Kammerarbeit vom ersten Tag an gut gefallen hat, war die Zusammenarbeit mit den Kollegen im Geschäftsführenden Vorstand und im Vorstand der BZÄK. Wir haben gemeinsam viel erreicht.

Wie beurteilen Sie die gesundheitspolitischen Entwicklungen der letzten Jahre in Bezug auf die Berufsausübung der Zahnärzte heute?

Eine ungute Entwicklung sehe ich bei den wachsenden Bürokratielasten und bei der steigenden Zahl von MVZ, vor allem bei denjenigen, die Fremdkapital-gesteuert sind. Doch es gibt auch durchaus Erfreuliches: Die Situation in den zahnärztlichen Praxen hat sich in den letzten Jahrzehnten meiner Meinung nach insgesamt positiv entwickelt. Das liegt nicht zuletzt an der Einführung des Festzuschusssystems. Der Zahnarzt kann dadurch besondere Leistungen auch besonders honoriert bekommen, das begünstigt seine wirtschaftliche Lage.

Und noch einen Faktor empfinde ich als positiv: Den Wegfall der Altersgrenze von 68 Jahren für Kassenärzte und Kassenzahnärzte. Seitdem ist es niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten generell wieder erlaubt, auch über das 68. Lebensjahr hinaus die Kassenzulassung zu behalten. Dafür haben KZBV und BZÄK lange gekämpft. Auch ich habe in meiner Praxis letztlich davon profitiert.

Haben Sie ein persönliches Motto?

Ja, aber kein standespolitisches, sondern eines für den Praxisalltag: Es lautet: „In meiner Praxis bekommt der Patient das, was der Patient braucht – und nicht das, was die Praxis braucht.“ Damit bin ich als Zahnarzt immer gut gefahren.

Die Fragen stellte Gabriele Prchala.

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