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Zahnspange schneller raus durch Infrarot?

dg/nh
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Die Korrektur von Zahnfehlstellungen dauert meist Jahre. Mit einem Infrarot-Gerät soll sich die Zeit um die Hälfte verkürzen. Ob das stimmt? Ein Rechercheteam kommt zu einem vernichtenden Ergebnis.

Es klingt wie eine Wunderwaffe: Angeblich verkürzt das Infrarot-Gerät „Orthopulse“ die Dauer einer KFO-Behandlung mit einer festsitzenden Zahnspange bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ernorm: Die Therapie mit Infrarot-Bestrahlung soll damit nur noch halb so lange dauern wie eine gängige KFO-Therapie.

Wunderwaffe oder Patienten-Abzocke?

So soll es funktionieren: Über eine Schiene, die Patienten im Mund platzieren, sendet das Gerät Infrarot-Strahlen. Die dadurch die ausgestrahlte Wärmeenergie sollen das Zahnfleisch und die Umbauprozesse im Alveolarknochen  stimulieren und so dafür sorgen, dass die Zähne sich durch die Zahnspange besser bewegen lassen. Für ein optimales Ergebnis fordert der Hersteller Konsequenz: Das Gerät soll täglich für zehn Minuten angewendet werden.

Humbug und Quacksalberei? In der EU ist das Infrarot-Gerät immerhin als Medizinprodukt zugelassen und für die Anwendung bei festen Spangen oder Alignern vorgesehen. Aus diesem Grund hat das Team des österreichischen Portals "Medizin-Transparent.at" hat das 1.000 Euro teure Infrarot-Gerät genauer unter die Lupe genommen.

Intransparente Studien

Die Broschüre des Herstellers verspricht, dass die Wirksamkeit des Geräts für die Anwendung am Menschen hervorragend untersucht sei. Das Rechercheteam fand jedoch heraus, dass der größte Teil der zitierten Untersuchungen aus physikalischen Erklärungen zur Infrarot-Strahlung und Versuchen an Zellkulturen oder Labortieren besteht. "Es gibt nur einige wenige Studien, die tatsächlich an Menschen mit Zahnspange durchgeführt wurden – das bestätigt auch unsere ausgedehnte Literaturrecherche", erklärt das Team von Medizin-Transparent.

Von den sechs Studien, die der Hersteller anführt, sind nur drei bisher veröffentlicht. Und diese drei überzeugen das Recherche-Team überhaupt gar nicht: "Keine der Studien untersucht tatsächlich die komplette Behandlungsdauer, sondern lediglich die Geschwindigkeit der Zahnbewegungen in der Korrekturphase der Zahnspangen-Therapie." Laut Medizin-Transparent wurden alle Studien auch durch den Hersteller finanziert.

Und die Nebenwirkungen?

Zwei Auswirkungen durch die Infrarot-Therapie wären nach Ansicht des Rechercheteams denkbar: "Positive Effekte, wenn die Behandlungsdauer verkürzt würde, oder negative Effekte, wenn Umbauprozesse an der Zahnwurzel beschleunigt werden." Allerdings berichtet nur eine der drei publizierten Studien über diese Nebenwirkung. Bei 20 untersuchten Patienten ließen sich demnach Verkürzungen der Zahnwurzeln beobachten. Die Studienautoren stuften diese allerdings als nicht bedeutsam ein.

Zudem sei laut Medizin-Transparent in dieser Untersuchung nicht klar, welchen Anteil die Infrarot-Strahlung daran hat. Denn die Autoren stellen keinen Vergleich mit Patienten an, die nur eine Zahnspange tragen, ohne das Orthopulse-Gerät zu verwenden. Demnach bleibt laut Medizin-Transparent unklar, ob das Orthopulse-Gerät die kieferorthopädische Korrektur von Zahnfehlstellungen beschleunigen kann. Das Fazit des Rechercheteams: Trotz EU-Siegel - Finger weg!

Das Projekt Medizin-Transparent.at bewertet die wissenschaftliche Beweislage, die Gesundheitsmeldungen in den Medien zugrunde liegt. 

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