Resonanz auf Spahns Pläne für ein "Faire-Kassenwahl-Gesetz"

AOK kritisiert: "Angriff auf die Selbstverwaltung"

pr/pm
Jens Spahns Reformpläne zur Weiterentwicklung der GKV stoßen auf Lob, aber auch viel Kritik. Vor allem die AOK zeigt sich empört und spricht vom Angriff auf die Selbstverwaltung.

Scharfer Gegenwind zum Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministers für ein "Faire-Kassenwahl-Gesetz" - kurz GKV-FKG - kommt von den beiden Aufsichtsratsvorsitzenden des AOK-Bundesverbandes, Knut Lambertin und Dr. Volker Hansen: "Offenbar hat es der Gesundheitsminister auf die Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgesehen. Seit Anfang des Jahres hat er seine Angriffe noch einmal forciert. Erst der Plan, die Methodenbewertung im Gemeinsamen Bundesausschuss per Ermächtigung an sich zu reißen. Dann die weiteren Eingriffe ins Haushaltsrecht sowie die kalte Enteignung bei der Gematik.

Und nun das Vorhaben, die ehrenamtlichen Vertreter im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes durch hauptamtliche Vorstände zu ersetzen. Spätestens jetzt zeigt sich deutlich, dass die im Koalitionsvertrag verabredete Stärkung der Sozialpartnerschaft und ihrer Institutionen für den Bundesgesundheitsminister nichts als eine hohle Phrase ist. Seine Bekenntnisse zur Sozialpartnerschaft sind nur Lippenbekenntnisse." Vor einer Entmachtung der sozialen Selbstverwaltung warnt auch der GKV-Spitzenverband und hält diese für unverständlich, unnötig und destruktiv.

Ähnlich scharfe Kritik kommt vom AOK-Chef Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann. Der Bundesminister setze weiter auf Zentralismus und Dirigismus, monierte er. Hermann: "Herr Spahn will elf AOKs in den bundesweiten Scheinwettbewerb stellen, ob ihm die Zentralisierung in einer Bundes-AOK vorschwebt, weiß ich nicht. Um effiziente und qualitativ hochwertige Versorgungsstrukturen wie zum Beispiel eine hausarztzentrierte Versorgung aufzusetzen, sind aber regionale Verwurzelung und die Kenntnis der Bedürfnisse der Menschen vor Ort unerlässlich. Als AOK Baden-Württemberg definieren wir uns nicht vor allem über einen Wettbewerb um den niedrigsten Preis, sondern über die bestmögliche Versorgungsqualität."

Hingegen kommt ein zustimmendes Echo von Seiten der Ersatzkassen. Der BKK-Dachverband zeigt sich von den Reformplänen positiv überrascht. Vorstand Franz Knieps bezeichnet sie als mutig und zielführend und schätzt es, dass der Minister die bestehenden Mängel im GKV-Finanzsystem konsequent angeht und das antiquierte Organisationsrecht der Krankenkassen modernisieren will. Als sehr positiv bewertet Knieps die Vorschläge zur Eindämmung der Manipulationen am Risikostrukturausgleich, die Vermeidung von Überdeckungen bei ganzen Personengruppen wie etwa Erwerbsminderungsrentnern, die Schaffung eines Risikopools für teure Leistungsfälle und die Durchsetzung einer einheitlichen Aufsicht.

"Dem Anspruch nicht gerecht"

Fazit von Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, zum Referentenentwurf:

Die Einschätzung von Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V., fällt dagegen gemischt aus. Die geplante Einführung eines Krankheiten–Vollmodells lehnte er ab, weil dies die Manipulationsanfälligkeit des Risikostrukturausgleichs erhöhe. Zudem würden präventionsanreize halbherzig angepackt. Als konsequent bezeichnete er die Weiterentwicklungsoptionen für den Morbi-RSA und die bundesweite Öffnung aller Krankenkassen, die Sonderstellung der Ortskrankenkassen sei ein Hemmnis für einen fairen Wettbewerb. Ungläubig habe sein Verband jedoch Spahns Vorschläge zur Erneuerung der Strukturen des GKV-Spitzenverbandes zur Kenntnis genommen: "Nachdem der Minister im Verwaltungsrat des GKV-SV vergangene Woche noch das hohe Lied der sozialen Selbstverwaltung gesungen hat, schafft er nun eben jene mit nur einem Federstrich ab."

Auch aus der Opposition werden Stimmen laut. So kritisiert Dr. Achim Kessler, Die Linke, das Reformvorhaben als "ungebrochenes Bekenntnis zum schädlichen Kassenwettbewerb“ und will den Kassenwettbewerb nicht stärken, sondern abschaffen. Spahn gehe mit dem Gesetz einen weiteren Schritt dahin, Krankenkassen wie Unternehmen zu behandeln. Diese sollen statt vor Sozialgerichte vor Zivilgerichte ziehen, die auf unlauteren Wettbewerb ausgerichtet sind. "Das Ministerium gesteht damit selbst ein, dass die Krankenkassen zukünftig mehr konkurrieren als kooperieren sollen."

Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Gesundheitspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, begrüßt die Weiterentwicklung des Morbi-RSA und die Einführung des Vollmodells. Den Vorschlag Spahns, die AOKen bundesweit zu öffnen, bewertete sie eher als gezielte Provokation: "Es ist fraglich, ob das wirklich am Ende so kommen wird. Bedenklich finden wir, dass Spahns Entwurf offenbar keine echte Reform der Aufsicht über die Krankenkassen vorsieht, sondern er nur auf mehr Zentralisierung setzt."

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml hat Jens Spahn aufgefordert, seinen Vorschlag zur Reform des Risikostrukturausgleichs der Krankenkassen in wesentlichen Punkten zu überarbeiten. Huml: "Bayern lehnt eine bundesweite Öffnung aller bisher landesunmittelbaren Krankenkassen strikt ab. Eine rein bundesweite Kassenlandschaft wird weder den Wettbewerb verstärken noch die Versorgung verbessern."

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