IQWiG

Ein neues Portal soll Gesundheitswissen vermitteln

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Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ein Konzept für ein Nationales Gesundheitsportal erarbeitet. Ein ehrgeiziges Ziel! Denn: Wie findet man gute Partner? Und wie wird man am Ende vom Patienten auch gefunden?

Der Auftrag war als Machbarkeitsstudie gedacht – das IQWiG sollte abklären, in welcher Form ein Nationales Gesundheitsportal funktionieren und betrieben werden könnte. Die Intentionen des Ministeriums sind dabei äußerst ehrgeizig: Das Portal soll für die Bürger „zum zentralen deutschen Internetangebot für Informationen rund um Fragen zur Gesundheit“ werden, wie es in den Vorgaben für das IQWiG heißt. „Zudem soll es einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung leisten.“

Das Problem unzureichender Gesundheitskompetenz war insbesondere nach der Veröffentlichung der Studie „Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland“ (Schaeffer D, Vogt D, Berens E-M, Hurrelmann K. Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland: Ergebnisbericht. Bielefeld: Universität Bielefeld; 2016) in den Fokus gesundheitspolitischer Diskussionen geraten.

Niedrige Gesundheitskompetenz ist kein Nischenproblem

Das Team um die Bielefelder Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Doris Schaeffer hatte in der Studie anhand breit erhobener Daten herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung nur über eine „eingeschränkte“, teils sogar „inadäquate“ Gesundheitskompetenz verfügen. Überraschend war vor allem das Ausmaß niedriger Gesundheitskompetenz, das sich keineswegs – wie bislang vermutet - nur als ein Nischenproblem darstellt, sondern die Mehrheit der Bevölkerung betrifft.

Eine geringe Gesundheitskompetenz wirkt sich nicht nur für den Einzelnen negativ aus, sondern verursacht auch Mehrkosten im System der Gesundheitsversorgung: Betroffene haben mehr Krankenhausaufenthalte, nutzen häufiger Notfalldienste und gehen öfter zum Arzt. Nach Schätzungen der WHO werden drei bis fünf Prozent der Gesundheitsausgaben durch eine unzureichende Gesundheitskompetenz verursacht.

Bis zu fünf Prozent der Gesundheitsausgaben werden durch eine unzureichende Gesundheitskompetenz verursacht

Für Deutschland wären dies umgerechnet etwa 9 bis 15 Milliarden Euro. Eine verbesserte Gesundheitsinformation der Bevölkerung, wie beispielsweise durch ein Nationales Gesundheitsportal, könnte demgemäß Spareffekte bei den Gesundheitsausgaben bewirken.

Vor diesem Hintergrund hat das BMG im Juni 2017 mit Partnern des Gesundheitswesens die „Allianz für Gesundheitskompetenz“ ins Leben gerufen. Hier sind die Bundeszahnärztekammer und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung mit jeweils eigenen Projekten beteiligt. Die Konzeption eines „Nationalen Gesundheitsportals“ ist der Eigenbeitrag des Ministeriums zur Initiative „Allianz für Gesundheitskompetenz“.

Dabei sollen sich die "an Evidenz orientierten Anbieter von Informationen zu Gesundheitsfragen – freiwillig und unter Beibehaltung ihrer Eigenständigkeit – auf gemeinsame Qualitätsstandards einigen und als ‚Content-Partner‘ ihre Inhalte auf einer kooperativen Plattform bereitstellen".

 

Als Erstes schlägt das IQWiG vor, eine Suchmaschine einzurichten, die ausschließlich die Inhalte der Content-Partner erfasst und zunächst auf die externen Webangebote der Partner führt. Schritt für Schritt soll sie dann um eigene Inhalte ergänzt werden.  

Die Plattform soll von einem Träger betrieben werden, der „weitgehend eigenständig“ die redaktionelle und technische Betreuung übernimmt. Um die Unabhängigkeit des Portals zu sichern, dürfe der künftige Träger keine kommerziellen Interessen verfolgen und müsse gemeinnützig sein sowie „wissenschaftlichen Grundsätzen verpflichtet sein“, „in transparente Beratungs- und Beteiligungsstrukturen eingebunden (...), dennoch aber inhaltlich und politisch unabhängig“ sein.

Für einen Zahnarzt ist die Beratung selbstverständlich "neutral"

Aber wie werden diese Kriterien im Prozess der Weiterentwicklung konkretisiert - insbesondere die Forderung nach „Neutralität"? Für einen Zahnarzt, der seinem Patienten zur Behandlung einer kariösen Läsion die verschiedenen Möglichkeiten der Füllungstherapie sachbezogen präsentiert, ist die Beratung selbstverständlich „neutral“. Der spezifische Wertekanon in den zahnärztlichen Berufsordnungen fordert ausdrücklich, bei allen medizinischen Interventionen das Patientenwohl als alleinige Richtschnur des Handelns zugrunde zu legen. Das Heraushalten eigener wirtschaftlicher Interessen aus (zahn)ärztlichen Beratungen und Entscheidungen gehört zum Kern des (zahn)ärztlichen Selbstverständnisses. Im Unterschied dazu erscheinen aus der Optik der Politik Zahnärzte wie auch Ärzte als Interessengruppen mit genuin auch wirtschaftlichen Interessen. Wie diese unterschiedlichen Perspektiven in einem Kriterienkatalog konsentiert werden sollen, ist noch offen.

Welcher Evidenzbegriff soll gelten?

Konfliktlinien könnten auch bei der Frage auftreten, welche Kriterien eine Gesundheitsinformation evidenzbasiert, vertrauenswürdig und unabhängig machen. Die aufgeheizte Diskussion um die vorläufige Nutzenbewertung des IQWiG zu Elementen der Parodontitistherapie ist hier noch gut in Erinnerung. Welcher Evidenzbegriff soll gelten? Was darf als „evidenzbasiert“ gelten und was nicht? Wer bewertet das? Wie soll mit unterschiedlichen Ansichten der Content-Partner zu bestimmten Therapien umgegangen werden? Eine Fülle grundsätzlicher Fragen tut sich hier auf.

Gesundheitsinformation braucht in erster Linie (zahn)ärztliche Kompetenz!

Im IQWiG ist man sich durchaus der vielen Herausforderungen und Risiken eines solch breit angelegten Gesundheitsportals bewusst. So braucht Gesundheitsinformation natürlich in erster Linie die (zahn)ärztliche Kompetenz. Im Konzeptentwurf finden sich denn auch Überlegungen dazu, wie man „genügend relevante Partner“ für das Projekt gewinnen kann.

Wie findet man entsprechende Partner?

Eine Möglichkeit wäre die Ausstattung mit „ausreichenden Ressourcen“, was auf die finanzielle Förderung der Content-Partner hinauslaufen würde. „Zur Steigerung der Kooperationsbereitschaft könnte beitragen, dass ein zentrales, qualitätsgesichertes und vertrauenswürdiges Portal nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die am Auf- und Ausbau des Portals Beteiligten einen Nutzen hat.“ Die Angebote der Content-Partner könnten „durch das Portal sichtbarer, besser auffindbar und in einen sinnvollen Gesamtrahmen eingebettet“ werden.

Nicht nur im Hinblick auf die Beteiligung der wichtigen Content-Partner, auch in puncto Reichweite des Portals zeichnen sich erhebliche Herausforderungen ab. Das ehrgeizige Ziel, die Plattform zum zentralen deutschen Internetangebot für Gesundheitsinformationen zu machen, erfordert einen deutlich wahrnehmbaren Nutzen für die ratsuchenden Patienten. Und nicht zu vergessen: eine gesicherte Finanzierung.

Nach dem Vorschlag des IQWiG sollen schrittweise folgende inhaltlichen Module ergänzt werden:

  • Evidenzbasierte Gesundheitsinformation

  • Evidenzbasierte Prävention

  • Navigator zu persönlichen/telefonischen Beratungsangeboten

  • Navigator zu Kliniken, Ärzten, Pflegeeinrichtungen und anderen Angeboten der Gesundheitsversorgung

  • Navigator zu laufenden klinischen Studien

  • Navigator / Erläuterungen der Strukturen des deutschen Gesundheitswesens

  • Bewertung aktueller Medienberichte

Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung haben Unterstützung und Lieferung von Inhalten für die Module angeboten.

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