AOK geht im dritten Quartal von einem Milliardendefizit aus

Litsch: „Das dicke Ende kommt noch“

pr/pm
Das dritte Quartal 2020 wird die AOK-Gemeinschaft mit einem Defizit von voraussichtlich 1,1 Milliarden Euro abschließen, nach einem leichten Plus von 230 Millionen zuvor. In nur drei Monaten hat sich die Finanzlage der AOK erheblich verschlechtert.

Wie der AOK-Bundesverband meldet, wird die AOK-Gemeinschaft das dritte Quartal 2020 mit einem Defizit von voraussichtlich 1,1 Milliarden Euro abschließen, nach einem leichten Plus von 320 Millionen Euro im zweiten Quartal. In nur drei Monaten hat sich die finanzielle Situation der AOK um mehr als 1,4 Milliarden Euro verschlechtert und im Vergleich zum Vorjahresquartal um zirka eine Milliarde Euro. Die Leistungsausgaben stiegen um rund 3,1 Prozent pro Versicherten, also fast doppelt so stark wie im zweiten Quartal.

„Nach den coronabedingten, heftigen Schwankungen im bisherigen Jahresverlauf – Minus im ersten Quartal, Plus im zweiten Quartal – dreht sich das Ergebnis nun erwartungsgemäß wieder ins Minus,“ kommentierte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, die aktuellen Finanzergebnisse. Das habe mit der Normalisierung bei Behandlungen und Operationen nach dem ersten Lockdown, entsprechenden Nachholeffekten und nicht zuletzt auch mit dem Wirksamwerden des Versichertenentlastungsgesetzes GKV-VEG zu tun.

Finanzlage anderer Kassen sieht auch schlecht aus

Das Gesetz sieht vor, dass die Krankenkassen bereits im Jahr 2020 einen stufenweisen Abbau von Rücklagen über günstige, aber nicht ausgabendeckende Zusatzbeiträge vornehmen müssen.

Litsch weiter: „Gleichwohl ist auch dieses Quartalergebnis nur Momentaufnahme in außergewöhnlichen Zeiten, seine Aussagekraft dürfte begrenzt bleiben. Immer noch können wir nur bedingt absehen, wann und wie stark noch Pandemiekosten zu Buche schlagen.“ Für Litsch wird das „dicke Ende für die gesetzliche Krankenversicherung“ erst noch kommen.


Wie etwa die FAZ berichtet (20.11.2020), sieht die Finanzlage auch bei anderen gesetzlichen Krankenversicherungen schlecht aus. So haben die Ausgaben bei den Innungskrankenkassen dem Bericht zufolge die Einnahmen um mehr als 200 Millionen Euro überstiegen. Bei den Betriebskrankenkassen habe die Unterdeckung 150 Millionen Euro, in der Knappschaft 52 Millionen Euro betragen, schreibt die Zeitung weiter. Das Minus in der GKV sei demnach insgesamt fast sechzehn Mal so groß gewesen wie vor Jahresfrist, als es 193 Millionen Euro betragen hatte.

AOK: Weitere Fehlbeträge in 2021 sind absehbar

Zu Anfang des Jahres sah den Presseberichten zufolge die Lage der Kassen noch besser aus. Das erste Halbjahr 2020 hatten die mehr als 100 deutschen Krankenkassen noch mit einem dicken Plus von fast 1,3 Milliarden Euro abgeschlossen. Der Grund: Während der Pandemie wurden teure Operationen und andere Behandlungen verschoben worden und es suchten deutlich weniger Patienten als sonst den Arzt, die Krankenhäuser oder den Physiotherapeuten auf.

AOK-Vorstand Litsch macht noch einen weiteren Umstand für die schlechte Kassenlage verantwortlich. In 2021 treffe die Krankenkassen neben Corona zusätzlich noch die volle finanzielle Wucht der letzten Gesundheitsgesetze von Jens Spahn. Um diese kurzfristig abzufangen und ein Finanzloch von über 16 Milliarden Euro zu stopfen, würden im Vorfeld der Bundestagswahl unter anderem die Rücklagen der Kassen „verfeuert“. Jedoch würden in 2022 die teuren Gesetze fortwirken, und schon jetzt sei ein weiterer Fehlbetrag von 17 Milliarden Euro absehbar. Dieses Loch lasse sich dann nicht mehr mit Kassenrücklagen stopfen.

Die Vorstandsvorsitzende des vdek, Ulrike Elsner, sieht das differenzierter: Auch sie sieht einige Ersatzkassen im Prozess des Rücklagenabbaus, der mit einem nicht kostendeckenden Zusatzbeitrag einhergeht, schreibt die Ärzte Zeitung dazu (20.11.2020). Jedoch wertet sie den geplanten Eingriff der Regierung in die Rücklagen der Kassen als grundsätzlich nachvollziehbar – es müsse sich aber um einen einmaligen Vorgang handeln, der sich nicht wiederholen sollte.

TK-Chef warnt vor höheren Zusatzbeiträgen

Unterdessen warnte der Vorsitzende der Techniker Vorsitzende der Krankenkasse Jens Baas vor einer drastischen Erhöhung des Krankenkassen-Zusatzbeitrags für 2022. Das kommende Jahr werde ein hartes Jahr für Kassen und Mitglieder, ohne Gegensteuern durch den Staat drohe eine Verdoppelung des Zusatzbeitrags, zitieren ihn Presseberichte. 

Bereits im Oktober hatte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, auf Ergebnisse der Sitzung des Schätzerkreises der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen. Zu erwarten sei demnach, dass der rechnerische durchschnittliche Zusatzbeitrag vom Bundesgesundheitsministerium für das kommende Jahr auf 1,3 Prozent festgelegt werde. Dennoch erwarte der GKV-Spitzenverband für das Jahr 2021 um rund 1,7 Mrd. Euro höhere Ausgaben als die Experten aus dem Bundesgesundheitsministerium, was etwa einem weiteren Zehntelpunkt Zusatzbeitragssatz entspreche. „Der gesetzlich verpflichtende Abbau von Finanzreserven bei den Krankenkassen, weitere finanzielle Belastungen durch die Corona-Maßnahmen und die ohnehin starke Ausgabendynamik, die auch durch die Reformgesetze der letzten Jahre bedingt ist – all das führt dazu, dass die Zusatzbeitragssätze im nächsten Jahr wohl deutlich angehoben werden müssen.“, hatte Pfeiffer seinerzeit erklärt.

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