KBV-Versichertenbefragung

Patienten schätzen die Dringlichkeit von Arztterminen oft höher ein als sie ist

ck/pm
Die KBV-Versichertenbefragung zeigt: Die Wartezeiten bei gesetzlich und privat Versicherten gleichen sich tendenziell an. Die Dringlichkeit von Terminen schätzen Patienten allerdings oft höher ein, als sie aus medizinischer Sicht ist.

"Ganz gleich, welches Bild die Politik von der ambulanten Versorgung in Deutschland zeichnet, das Vertrauen der Versicherten in ihre Ärzte kann das nicht erschüttern. 91 Prozent der Patienten geben an, ein gutes oder sehr gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin zu haben“, sagte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), bei der heutigen Vorstellung der Versichertenbefragung in Berlin. Die Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld hatte im Auftrag der KBV von Mitte März bis Ende April mehr als 6.100 Versicherte befragt.

„Wenn man sich die Ergebnisse der letzten Jahre anschaut, stellt man fest: Die Unterschiede bei den Wartezeiten auf einen Termin waren bei gesetzlich und privat Versicherten nie so gravierend, wie gerne kolportiert wird. Das hindert einige Leute aber nicht daran, gebetsmühlenartig die Behauptung vorzutragen, dass gesetzlich Versicherte zu lange auf Termine warten und dies dann auch noch mit der Forderung nach einer Bürgerversicherung zu verbinden“, konstatierte Gassen.

29 Prozent der GKV- und 30 Prozent der PKV-Versicherten mussten bei ihrem letzten Arztbesuch nicht warten

Insgesamt 29 Prozent der gesetzlich und 30 Prozent der privat Versicherten mussten bei ihrem letzten Arztbesuch demzufolge überhaupt keine Wartezeit in Kauf nehmen. Jeder vierte gesetzlich Versicherte bekam innerhalb von einem Tag bis zu einer Woche einen Termin, bei den privat Versicherten war es jeder dritte.

"Die Wartezeiten haben sich im Lauf der Jahre angeglichen", bilanziert die KBV. Dies liege vor allem daran, dass auch privat Versicherte häufiger als früher längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. „Der Grund ist simpel: Arztzeit wird immer knapper. Die Tatsache, dass wir einen nahezu barrierefreien Zugang zu ärztlichen Leistungen haben, ohne Steuerung, bei gleichzeitig steigendem medizinischen Bedarf, führt dabei auch noch zwangsläufig zu einer höheren Nachfrage“, folgerte Gassen. Dabei sei es wichtig, bei der Dringlichkeit von Terminen zu unterscheiden, betonte er: „Auf eine routinemäßige Vorsorgeuntersuchung muss ich als Patient im Zweifel tatsächlich länger warten als wenn ich eine Grippe habe.“ 

Die ‚gefühlte‘ Dringlichkeit - in vielen Fällen höher als die tatsächliche

Erstmals fragten die Meinungsforscher die Bürger auch, wie dringend sie selbst ihren letzten Arztbesuch einschätzten. Zwei Drittel stuften diesen als dringend oder sehr dringend ein – unabhängig davon, aus welchem Grund er erfolgte. Auch Anlässe wie eine Vorsorgeuntersuchung oder eine Impfung empfanden 36 Prozent der Befragten noch als eilig oder sehr eilig. „Die ‚gefühlte‘ Dringlichkeit ist in vielen Fällen höher als die tatsächliche – auch wenn das aus medizinischer Sicht nicht angebracht ist“, sagte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.

 

Die Versicherten wurden auch gefragt, wie sie die Versorgungssituation mit Haus- und Fachärzten einschätzen. In den letzten zwei Jahren ist der Anteil derjenigen, die angaben, nicht genügend Hausärzte in Wohnortnähe zu haben, von 22 Prozent auf 27 Prozent gestiegen, bei den Fachärzten ist der Anteil von 43 auf 44 Prozent gestiegen.

Die große Ruhestandswelle bei den jetzigen Praxisinhabern steht noch bevor

„Obwohl die Arztzahlen absolut gesehen steigen, führt dies nicht automatisch zu einer besseren Versorgungssituation. Jüngere Ärztinnen und Ärzte bevorzugen vermehrt Angestelltenverhältnisse und Teilzeitarbeit. Das hat Auswirkungen auf ihre Verfügbarkeit in der Praxis“, sagte Hofmeister: „Die große Ruhestandswelle bei den jetzigen Praxisinhabern steht uns erst noch bevor. Es gilt also, die Versorgung so zu organisieren, dass die verbleibenden Kräfte und deren Zeit so effizient wie möglich eingesetzt werden. Oder anders ausgedrückt: Die Ressource Arzt ist ein hohes Gut, mit dem wir sorgsam umgehen müssen.“

62 Prozent der Patienten lehnen die Videosprechstunde für sich selbst ab.

Das positive Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten spiegelt sich auch in der Beurteilung der Videosprechstunde seitens der Versicherten wider. 62 Prozent lehnen diese für sich selbst ab.

„Die meisten Menschen wünschen sich den persönlichen Kontakt zu ihrem Arzt und stehen einer Fernbehandlung oder auch nur -beratung skeptisch gegenüber“, kommentierte Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des KBV-Vorstands. 72 Prozent der Personen, welche die Videosprechstunde ablehnen, nannten als wichtigsten Grund, den direkten Kontakt zum Arzt zu bevorzugen.

Die Versichertenbefragung wird seit 2006 regelmäßig von der Forschungsgruppe Wahlen Telefonfeld GmbH im Auftrag der KBV durchgeführt. Im Zeitraum vom 11. März bis 29. April 2019 wurden telefonisch mehr als 6.100 Versicherte ab 18 Jahren zu ihrer Einschätzung der Versorgungssituation in Deutschland befragt.

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