Interview mit Zahnärztin Tanja Derksen

"Das Wichtigste war, dass ich schnell klare Entscheidungen getroffen habe!"

Susanne Theisen
Praxis
Als es mit Corona losging, herrschte erstmal große Verunsicherung, berichtet Zahnärztin Tanja Derksen aus Kelberg in der Eifel. Ein Satz von Kant in einem Zeitungsartikel brachte ihr Klarheit.

Wie haben Sie die Wochen des Lockdowns in Ihrer Praxis erlebt?

Tanja Derksen:

Als es Mitte März losging, herrschte große Verunsicherung. Bei mir, meinen Mitarbeiterinnen, bei den Patienten. Viele im Team hatten Angst, sich bei der täglichen Arbeit in der Praxis anzustecken. Mit aktuellen Daten zum Corona-Virus und Erklärungen zu dem Thema Virenschutz allgemein habe ich versucht, die anfängliche Panik einzudämmen. Das ist dann auch gut gelungen. Daraufhin gab es im Wochentakt Teambesprechungen, in deren Rahmen wir auf Basis der aktuellen Daten für die nächste Woche entschieden haben. Dank dieser offenen Kommunikation ist es uns gelungen, im stark reduzierten Betrieb weiterzumachen und für unsere Patienten da zu sein.

Wie genau haben Sie Ihr Team und Ihre Patienten geschützt?

Vor allem, indem ich die Zahl der Personen begrenzt habe, die sich zur gleichen Zeit in den Räumlichkeiten aufhalten. Die Zahl der Patienten, die in die Praxis kamen, wurde deutlich reduziert; Behandlungszeiten wurden angepasst, um Wartezeiten möglichst zu vermeiden. Die Zahl der Patienten war ohnehin gesunken, weil zu Beginn der Corona-Krise etwa 20 bis 30 Prozent ihren Termin vorsichtshalber auf später verschoben hatten. Mit professionellen Zahnreinigungen haben wir im März erst einmal ausgesetzt und erst im April unter erhöhten Vorsichtsmaßnahmen und in niedriger Zahl wieder damit begonnen.

Für fünf meiner 20 Mitarbeiterinnen musste die Kurzarbeitszeitenregelung eingesetzt werden. Dadurch war der Schutz der Mitarbeiter gewährleistet und die Betreuung ihrer Kinder besser möglich. Unsere drei Auszubildenden haben sich zuhause mit dem Lernstoff der Fachausbildung intensiv auseinandergesetzt und kamen einmal wöchentlich zu Lernkontrollen in die Praxis. So konnte die Coronazeit zum Vertiefen der theoretischen Fachkenntnisse genutzt werden. Für alle im Team galt die Regel, soziale Kontakte einzuschränken und den Kontakt zu älteren Personen ganz zu vermeiden. Auch weiterhin sollen große Veranstaltungen gemieden werden.

Wie sind Sie auf Ihre Patienten zugegangen?

Wir haben alle Patienten mit Termin angerufen und mit jedem einzelnen dessen individuelles Risiko abgeschätzt und ihn über die Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen in der Praxis aufgeklärt. Viele hatten bereits für sich eine Klarheit im Umgang mit dem Thema gewonnen und konnten ohne Weiteres zur Behandlung erscheinen. Andere verlegten ihren Termin auf später. Für jeden einzelnen wurde die beste Lösung gefunden. Dabei hat auch geholfen, dass in unserer Region kaum jemand mit dem öffentlichen Nahverkehr fährt. Die Patienten kommen mit dem eigenen Auto, was die Ansteckungsgefahr noch einmal verringert.

Wie waren die Patienten drauf?

Bei zahnmedizinischen Beschwerden und Schmerzen haben unsere Patienten kritischer nachgedacht, ob sie kommen sollen. Wir haben sie dazu am Telefon beraten und die Dringlichkeit eines Praxisbesuchs abgeklärt. Viele Patienten waren für den vernünftigen und unaufgeregten Umgang mit dem Thema Corona-Virus sehr dankbar.

Wie war die Stimmung in Ihrer Praxis?

Die war ausgesprochen gut. Es hat mich nachhaltig beeindruckt, wie gut das Team mitgezogen hat. Obwohl wir immer nur von Woche zu Woche planen konnten, war das Team mit Spaß und Freude bei der Arbeit und die Atmosphäre sehr harmonisch. Wir haben füreinander und miteinander sehr effektiv gearbeitet. Die sehr gute Stimmung in der Praxis hat eine große Rolle für unsere Patienten gespielt. Viele haben sich dafür bedankt. Es hat die Anspannung lösen können.

Was war rückblickend Ihre wichtigste Entscheidung?

Zufälligerweise hatte ich gleich zu Beginn der Pandemie einen Satz von Kant in einem Zeitungsartikel gelesen: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen." Das hat mir Klarheit gebracht und daran habe ich mich orientiert. In diesem Sinn war wohl das Wichtigste, dass ich schnell klare Entscheidungen zum Umgang mit dem Thema getroffen habe und mein Team dadurch unaufgeregt und gut organisiert weiterarbeiten konnte.

Wie waren diese Wochen für Sie als Inhaberin?

Es hat eine große Rolle gespielt, dass ich als Medizinerin nicht besonders verunsichert war. Wir befolgen ohnehin immer alle notwendigen, sehr strengen Hygiene- und Schutzvorschriften. Deshalb bin ich ruhig mit dem Risiko umgegangen. Was die unternehmerische Seite angeht, habe ich ziemlich früh das Gefühl bekommen, dass ich nicht so schnell mit den Entscheidungen aus der Politik oder von unseren Kammern rechnen kann, auf die ich mich allein verlassen könnte.

Aber ich bin ein Mensch, der die Dinge selbst in die Hand nimmt. Ich habe mich mit meiner Bank, meinem Steuerbüro und meiner Unternehmensberatung besprochen, um meine finanzielle Perspektive zu klären. Ich bin 2019 mit meiner Praxis in ein neues Gebäude umgezogen, allzu große Puffer hatte ich daher nicht. Aber dadurch, dass ich nicht abgewartet und Möglichkeiten ausgelotet habe, denke ich gut für die Zukunft aufgestellt zu sein und für mein Team ein sicherer Arbeitgeber bleiben zu können.

Sind Sie wieder im Normalbetrieb?

Ja, im April und Mai hat sich die Terminlage schon fast wieder normalisiert.

Wie haben Sie die Praxis unter Pandemie-Bedingungen organisiert?

Wir haben die Abläufe angepasst. Vor dem Eingang informiert ein Aushang die Patienten, wie sie die Praxis betreten sollen, also möglichst ohne Begleitung und mit Mundschutz. Der Empfang ist zurzeit nur mit einer Mitarbeiterin besetzt und nicht, wie sonst, noch mit einer zweiten. Wir haben einen Spuckschutz und auf dem Boden Aufkleber zum Einhalten des vorgeschriebenen Abstandes angebracht. Die Händedesinfektion, die es bei uns schon immer gab, haben wir noch prominenter platziert. Im Wartebereich halten sich auf 70 Quadratmetern maximal zwei Patienten gleichzeitig auf.

Außerdem lautet die Devise bei uns: lüften, lüften, lüften! Vor allem zwischen zwei Prophylaxe-Sitzungen haben wir das verstärkt und lüften – je nach Länge der Behandlung – 30 bis 60 Minuten. Im Kontakt mit den Patienten achte ich mehr auf ausreichend Abstand in den beratenden Gesprächen. Mundschutz und Schutzschild bei den Behandlungen für Zahnärzte und Assistenz waren auch vorher schon ein Standard.

Wie haben Sie die Zwangspause für die Praxis genutzt?

Wir haben in den Ablagen aufgeräumt, die Geräte- und Materialienliste aktualisiert, alte Unterlagen aussortiert, uns mit einem neuen Bleachingsystem auseinandergesetzt. Ich habe Webinare zu den Themen Mitarbeiterführung in Krisenzeiten und Unternehmensführung gemacht. Aber so wahnsinnig viel Leerlauf war ja gar nicht.

Wie geht es Ihnen jetzt?

Ich freue mich auf relative Normalität. Ich bin meinem Team unendlich dankbar und auch den Patienten, dass sie vernünftig mit dem Thema umgegangen und nicht in Panik verfallen sind. Ich bin zuversichtlich, dass es jetzt weitergeht und wir gut organisiert für die Patienten da sein können.

Die Fragen stellte Susanne Theisen.

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