Leitartikel

Prävention ist Praxisalltag

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

auch wenn Deutschlands Politiker in ihrer Diagnose des hochgradig angeschlagenen GKV-Systems weitgehend uneins sind und vor den Wahlen lieber bewegungslos am Scheideweg künftiger Ausrichtung verharren, stoßen sie in einem Punkt doch immer wieder lauthals in ein und dasselbe Horn: Mit einem Paradigmenwechsel vom Kurativen zum Präventiven, so glaubt man, sei der richtige Therapieansatz für das Überleben des Solidarsystems gefunden.

Die unisono zu Markte getragene Überzeugung „Wer verhindert, dass Menschen krank werden, braucht auch kein Geld, um sie zu heilen“ ist allerdings ein gedanklicher Kurzschluss. In ihm steckt der uns zur Genüge bekannte Fehler, im budgetierten System für immer weniger Geld immer mehr Leistungen zu fordern. Er erstickt die Wirkung dieses ansonsten aus Patientenwie Zahnärztesicht durchaus begrüßenswerten Ansatzes im Keim.

Man kann den Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen angesichts schwindender Finanzmittel, aber steigender Alterung unserer Gesellschaft nicht durch reine Umschichtung von der Reparatur zur Prävention, schon gar nicht durch Einbezug zusätzlicher Aufgaben in den Leistungskatalog der GKV bewältigen. Solange sich die politische Therapie zur Bekämpfung der fortgeschrittenen Krankheit im GKVSystem allein auf die Umverteilung der Finanzen beschränkt, allenfalls die Heilberufe fortlaufend durch Kräfte zehrende, erzwungene „Blutspenden“ an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit getrieben werden, wird auch die Hoffnung auf eine Verbesserung der Prävention im gesamten Gesundheitswesen Makulatur bleiben.

Für uns Zahnärzte ist Prävention seit Jahren Praxisalltag: In der konservierenden Zahnheilkunde wird alles getan, um einen mit Karies erkrankten Zahn durch Füllungsmaßnahmen zu erhalten. Die Kieferorthopädie verhindert durch Regulierung von Zahnfehlstellungen mögliche Fehlfunktionen. In der Endodontie wird durch Behandlung an der Zahnwurzel die mögliche Extraktion vermieden. Mit Zahnersatz wird eine nach Zahnverlust durch Zahnwanderung zu erwartende Fehlfunktion verhindert und die volle Kaufunktion wieder hergestellt. Mit der Parodontologie verhindern wir Erkrankungen des Zahnhalteapparates.

Es ist das Verdienst unserer beruflichen Leistung und deren beharrlicher Dokumentation durch die Standesvertretungen, dass die von der Zahnärzteschaft geleistete Prävention auch am ansonsten ergebnislosen „Runden Tisch“ als fortschrittliches, zur Nachahmung empfohlenes Beispiel hervorgehoben wurde. Denn alle Erkrankungen im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, ausgenommen Kiefer- und Zahnfehlstellungsanomalien sowie genbedingte parodontologische Erkrankungen, könnten theoretisch durch intensive Gruppen- und Individualprophylaxe verhindert oder zumindest erheblich eingeschränkt werden. Allerdings setzt das die hohe Mitverantwortlichkeit des Versicherten voraus.

Wer das erfolgreich umsetzen, wer wirklich den konsequenten Paradigmenwechsel in der Zahnheilkunde erreichen will, muss aber auch bereit sein, über den Tellerrand bisheriger Strukturen hinauszuschauen. Die von der Zahnärzteschaft erarbeitete Neubeschreibung der Zahnheilkunde erfordert – anders, als es die Krankenkassen sehen – auch eine qualitäts- und fachbezogene Neubewertung. Und die ist nun einmal nicht kostenneutral zu haben. Schon deshalb ist es mit einer reinen Umschichtung und „Umbewertung“ des Bema-Leistungskataloges nicht getan.

Es bleibt deshalb dabei: Wenn die Regierung eine wirksame Neuorientierung will, muss sie auch den Mut haben, die entsprechenden Rahmenbedingungen bereitzustellen. Alles andere wäre Selbstbetrug und Betrug an den Versicherten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rolf-Jürgen LöfflerVorsitzender der KZBV

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