74. Jahrestagung der DGKFO

Lückenmanagement und Therapie im Wachstumsalter

Heftarchiv Zahnmedizin
Die 74. wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie fand dieses Jahr mit mehr als 1400 Teilnehmern in Friedrichshafen statt. 70 Vorträge und über 100 Posterdemonstrationen spiegelten während der fünf Kongresstage das aktuelle wissenschaftliche Spektrum der Kieferorthopädie wider.

Die Themen der Jahrestagung waren das „kieferorthopädische Lückenmanagement“, die „kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung im Wachstumsalter“ und freie Themen mit Schwerpunkt „Lingualtechnik“, wobei die Deutsche Gesellschaft für Linguale Orthodontie den letzten Themenblock gestaltete.

Kieferorthopädisches Lückenmanagement

Nach der feierlichen Eröffnung und der Einführung in das Thema durch den Tagungspräsident Prof. Dr. Dr. Gernot Göz, gab Prof. Dr. Heiner Weber, ebenfalls aus Tübingen, einen Überblick über die Möglichkeiten des prothetischen und implantologischen Lückenschlusses, insbesondere im Hinblick auf Ästhetik, Risiken, Ökonomie und Prävention. Vor allem im Frontzahnbereich stellen Hypoplasien, Zahngrößendiskrepanzen und Aplasien nicht nur ein funktionelles, sondern vor allem ein ästhetisches Problem dar. Dr. Mall aus Freiburg betonte in seinem Vortrag, dass der orthodontische Lückenschluss in der oberen Front den Vorteil hat, eine dauerhafte, mit natürlichen Zähnen geschlossene Zahnreihe zu erreichen. Formkorrekturen können mit dem Einsatz von Kompositrestaurationen „minimalinvasiv“ durchgeführt werden.

Dr. Arild Stenvik, Oslo, referierte über den Lückenschluss durch die Autotransplantation von Prämolaren und konnte auf einen Nachuntersuchungszeitraum von bis zu 40 Jahren nach Tansplantation zurückgreifen. Dabei seien die Erfolgsquote wie auch die Patientenzufriedenheit gleichermaßen hoch.

Die Problematik der Lückenversorgung im Spaltbereich bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten war Thema des Vortrags von Prof. Dr. Charlotte Opitz aus Berlin. Sie wies darauf hin, dass bei dieser Patientengruppe häufig spaltbedingte Wachstums- und Kieferanomalien, wie Knochendefizite im Spaltbereich, Schmalkiefer, verstärktes vertikales Wachstumsmuster und die Pseudoprogenie bei der Entscheidung über den Lückenschluss mit berücksichtigt werden müssen. Nach sekundärer Osteoplastik muss von Anfang an beim kieferorthopädischen Lückenschluss verstärkt auf eine achsengerechte Positionierung der Wurzeln in den transplantierten Knochen hinein geachtet werden. Eine Knocheneinziehung ist beim Lückenschluss weniger problematisch als ein mangelndes Knochenangebot für eine Implantatversorgung.

Es bestand Konsens darüber, dass jede Therapie ihre Berechtigung hat, dass aber die Indikationen zum kieferorthopädischen Lückenschluss, zum implantologisch-prothetischen Lückenschluss oder zur autologen Zahntransplantation sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen.

Kieferorthopädie/Chirurgie im Wachstumsalter

Ein weiteres Thema der Tagung betraf die kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung im Wachstumsalter.

Dabei wurden insbesondere Fragen im Zusammenhang mit der Distraktionsosteogenese diskutiert. Diese betrafen insbesondere die bilaterale, die unilaterale, die mediane UK-Distraktion sowie die Mittelgesichtsdistraktion und die Problematik nach osteochondraler Kiefergelenksrekonstruktion.

Priv. Doz. Dr. Dr. Cornelius Klein, Frankfurt, hob als Hauptindikationen der Distraktionsosteogenese die hemifaziale Mikrosomie, das Treacher Collins-Syndrom und hochgradige mandibuläre Mikro- und Retrognathien unterschiedlicher Ätiologie hervor. Dr. Elmar Frank, Besigheim, stellte ein neues System der intraalveoläre Distraktionsosteogenese (IADO) bei Extraktionslücken mit defizitärem Alveolarfortsatz vor.

Prof. Dr. Dr. Conrad Wangerin, Marienhospital Stuttgart, diskutierte beim UKFrontzahnengstand die Vor- und Nachteile der medianen Unterkieferdistraktion gegenüber der Prämolarenextraktion. Er wies darauf hin, dass nach Prämolarenextraktion eine verringerte Lippenprominenz resultieren könne, die bei Behandlung mittels Distraktion vermieden werde. Entscheidend bei der Therapiefestlegung sei aber immer die Platzbedarfsanalyse.             

Schwerpunkt Lingualtechnik

Die Lingualtechnik erfreut sich immer größer werdender Beliebtheit, trotz aller damit verbundener Problematik, welche sich in Irritationen der Zunge und zum Teil lange andauernder Behinderungen beim Sprechen manifestiert.

Dr. Dirk Wiechmann, Bad Essen, gab eine Einführung ins Thema und hob hervor, dass für ihn „jeder bukkale Fall auch einen lingualen Fall“ darstelle. Einige Fälle seien seiner Erfahrung nach lingual sogar besser zu behandeln als bukkal.

Mundhygiene-Aufklärung

Zur subjektiven oralen Befindlichkeit und erschwerten Zahnpflege im Zusammenhang mit dem lingualen Bracketsystem sprach Dr. Ariane Hohoff von der Universitätsklinik Münster. Dabei hob sie hervor, dass die Patienten über die funktionellen Einschränkungen und die erschwerte Mundhygiene umfassend aufgeklärt werden müssen. Auch in der kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Zusammenarbeit biete sich die Lingualtechnik für Erwachsene an, wie im Vortrag von Dr. Andrea Thalheim, Bad Essen, in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Münster, erörtert wurde.

Zusammenfassend darf diese auch organisatorisch gelungene Tagung als Erfolg gewertet werden. Der rege interdisziplinäre Gedankenaustausch sowie die zahlreichen Anregungen und Hinweise werden das Behandlungsspektrum der Teilnehmer sicher in vielfältiger Weise ergänzen und bereichern.

Die nächste Jahrestagung der DGKFO wird vom 11.09. bis 15.09.2002 in Hamburg stattfinden mit den Hauptthemen „Wissenschaftliche Evaluierung der kieferorthopädischen Frühbehandlung und der myofunktionellen Therapie“ und „Bedeutung von Form und Funktion des Kiefergelenks für die Kieferorthopädie“.

Prof. Dr. Gernot Göz

Universitätsklinikum Tübingen

Poliklinik für Kieferorthopädie

Osiandersrasse 2-8

72076 Tübingen

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