Psychiatrie

Atypische Neuroleptika und Alzheimer-Patienten

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Im Laufe der Alzheimer-Erkrankung werden die meisten Patienten durch eine neurotische oder psychotische Symptomatik klinisch behandlungsbedürftig. Die über Jahre außerhalb der zugelassenen Indikation angewandten atypischen Neuroleptika erwiesen sich in einer praxisnahen Studie für die Routine als ungeeignet.

Die „Clinical Antipsychotic Trials of Intervention Effectiveness-Alzheimer Disease-(CATIE-AD-)Study“ wurde bei ihrer Publikation als bahnbrechend gefeiert. Mit dieser Studie sei es erstmals möglich, eine anscheinend klinisch einleuchtende Behandlung unter den Alltagsbedingungen der täglichen ärztlichen Praxis zu testen, schrieb in einem Kommentar der renommierte Geriater Jason Karlawish von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia.

Atypische Neuroleptika mit Januskopf

Als Erstautor der Studie zeichnet Lon S. Schneider von der Keck School of Medicine der Universität von Südkalifornien in Los Angeles (USA). Die Studie wurde an 421 ambulanten Patienten durchgeführt, die von 42 Kliniken betreut wurden. Diese unter psychiatrischen Praxisbedingungen durchgeführte Untersuchung, die von den staatlichen Institutes of Health finanziert wurde, hatte abweichend von den Standards der großen prospektiven Zulassungsstudien keine Vorschriften über Dosis oder therapeutische Endpunkte zu befolgen.

Gemessen wurde lediglich außer dem Einfluss der jeweiligen Medikation auf die Symptomatik der Patienten die Zeit bis zum Wechsel der Therapie. Die teilnehmenden Ärzte waren frei, die für Neuroleptika geeigneten Patienten auszuwählen. Sie hatten mehrere Dosierungen zur Verfügung, um – wie in der Praxis üblich – die erforderliche Dosis durch allmähliche Steigerung zu finden. Allerdings wussten sie nicht, ob die gleich aussehenden Kapseln eines der drei verfügbaren Neuroleptika der zweiten Generation (Olanzapin, Quetiapin oder Risperidon) oder aber ein Scheinmedikament enthielten.

Die Patienten litten außer an dem Hauptsymptom Gedächtnisverlust an psychotischen Symptomen und Aggressivität beziehungsweise Agitation. In der psychiatrischklinischen Praxis werden bei Patienten, die an diesen Symptomen leiden, die genannten Neuroleptika routinemäßig und mit gutem Erfolg eingesetzt. Die Medikamente wurden zwar nicht ausdrücklich im Zusammenhang mit der Alzheimerschen Erkrankung geprüft, in der Klinik wurden diese Patienten jedoch fast überall auch mit Neuroleptika behandelt.

Die Studie erbrachte nun, wie die Abbildung zeigt, dass während der Studiendauer von 40 Wochen die gleiche Zahl von Patienten die Therapie wechselt, unabhängig davon, ob sie Plazebo oder eines der Medikamente erhalten hatten. Daran änderte auch nichts, dass unter Olanzapin die Symptomatik deutlicher verbessert wurde als unter den anderen Präparaten oder unter Plazebo. Dafür war nämlich auch die Häufigkeit der Abbrüche wegen schlechter Verträglichkeit unter Olanzapin mit 24 Prozent deutlich häufiger als unter den beiden anderen Neuroleptika (16 beziehungsweise 18 Prozent) oder unter Plazebo mit 5 Prozent.

Die maßgebliche durchschnittliche Therapiedauer bis zum Wechsel der Medikation war unter allen vier Optionen ohne signifikanten Unterschied: Olanzapin 8,1 Wochen, Quetiapin 5,3 Wochen, Risperidon 7,4 Wochen und Plazebo 8,0 Wochen.

Konsequenzen

Prof. Karlawish weist in seinem Kommentar zu dieser Studie darauf hin, dass auch er Alzheimer-Patienten mit entsprechender Symptomatik bislang die Neuroleptika der zweiten Generation verordnete. Zu eindeutig war der Therapieerfolg bei den Nicht-Alzheimer-Patienten, als dass man sich in der Klinik ein Versagen beim Morbus Alzheimer hätte vorstellen können. Daher wird von ihm die nun vorgelegte Studie in aller Form begrüßt, wenn auch nicht in allen Punkten die gleichen Konsequenzen gezogen werden, wie von den Autoren der Studie.

Karlawish argumentiert, dass ein psychiatrisch versierter Geriater, der die unerwünschten Wirkungen der Neuroleptika kennt und gegen den Therapieerfolg im Einzelfall abwägen kann, durchaus mit diesen Präparaten arbeiten sollte. In der normalen ambulanten Praxis sollten Neuroleptika bei Alzheimer-Patienten jedoch nicht mehr angewandt werden. Hier bleiben den Medizinern nur noch die ebenfalls effektiven, wenn auch ungleich arbeitsintensiveren nicht medikamentösen Maßnahmen, wie Verhaltenstraining, Arbeit mit den Betreuungspersonen und mehr.

T. U. Keil

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