Leitartikel

3 Prediger und 5 Sargträger?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ursprünglich wollte die schwarz-gelbe Bundesregierung eine große, grundlegende Gesundheitsreform. Eine Kurskorrektur, wenn nicht sogar ein Kurswechsel war der Wunsch der „Wunschkoalition“. Ihr Programm sprach Bände, machte Hoffnung. Und ursprünglich war der Gedanke von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, diesen Aufbruch durch eine interministerielle Arbeitsgruppe im Konsens vorzubereiten, eigentlich kein schlechter. Ursprünglich!

Zurzeit, nach fast 150 Tagen im Amt, vermittelt die Ministerriege um Bundeskanzlerin Angela Merkel aber manchmal den Eindruck, sie mutiere von der Wunschkoalition zu einer „Koalition der frommen Wünsche“: Zu deutlich sind die Gegensätze in der Auffassung dessen, was in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben wurde. Zu kontrovers verläuft der politische Diskurs über den anzusteuernden Weg für das deutsche Gesundheitswesen, als dass sich der Anschein eines christlich-liberalen Miteinanders noch aufrechterhalten ließe.

Der Liberale Philipp Rösler, der hartnäckig dem Koalitionsvertrag die Treue halten und die Reform auf Kurswechsel trimmen will, musste sehr schnell feststellen, dass die Opposition gegen sein Vorhaben zur Einführung einer Gesundheitsprämie nicht erst im Parlament, sondern schon in der eigenen Regierungskoalition aktiv ist. Denn auch in dieser Sache macht Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er stellt sich zum Thema Gesundheitsprämie mit SPD, Grünen und Linken in eine Reihe. Und via Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner sitzt er mit am Kommissionstisch.

Aber der Widerstand kommt nicht nur aus den Reihen der Christlich-Sozialen. Im neuen Gesundheitskabinett sitzt auch Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der wird mit seinem klar formulierten Sparkurs keinen Platz für zusätzliche Steuerfinanzierungen frei halten wollen. Spannend dürfte auch sein, welche Rolle die anderen CDUMinisterialen Ursula von der Leyen, Thomas de Maizière und Kristina Schröder einnehmen. Letztlich dürfte wohl der Fraktionszwang ausschlaggebend werden. Und den prägt die Bundeskanzlerin entscheidend mit. Noch darf also gerätselt werden, in welche Richtung das Pendel ausschlagen wird.

Philipp Rösler hat mit Rainer Brüderle und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zwei Liberale an der Seite, die im Sinne der Sache predigen werden. Im Zweifel stehen ihnen aber fünf Sargträger für etwas gegenüber, das der Bundesgesundheitsminister zur zentralen Säule seiner politischen Agenda gemacht hat. So hat sich der smarte Mann aus Niedersachsen seine politische Zukunft vor Kurzem sicher noch nicht vorgestellt.

Wie das Ringen um die künftige Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens ausgehen wird, ist angesichts des derzeitig populistischen Säbelgerassels von Bayern Richtung Berlin noch nicht ausgemacht. Und die Arbeit am Tisch wird hoffentlich in der einen oder anderen Sache mehr Klarheit bringen als die jetzt ohne Konzept per Daumen getroffenen Milliarden-Hochrechnungen.

Dennoch: Vom Erfolg dieser Kommission hängt auch das Wohl und Wehe der anderen Entscheidungen ab, die im Sinne des Koalitionsvertrags anstehen. Auch ist der Faktor Zeit nicht unerheblich – ganz egal, ob es um die Wahlen in Nordrhein-Westfalen und damit Bundesratsmehrheiten geht oder nur um die galoppierenden Kosten in einer Zeit der Rezession. Reform tut not, politisches Taktieren oder gar Aussitzen schadet dieser Gesellschaft.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans Peter Keitel, hat dieser Tage die Regierungsarbeit beklagt. Fünf Monate nach der Wahl herrsche Orientierungslosigkeit, die Regierung wisse, „dass sie an verschiedenen Stellen nicht optimal agiert und zwar fahrlässig“. Angela Merkel sollte endlich klarstellen, was ihr der Koalitionsvertrag wert ist.

Vielleicht wird es Sigmar Gabriel ja richten. Was die Koalition nicht schafft, macht er! Mit seiner Ankündigung einer Kampagne „Nein zur Kopfpauschale“ wird er womöglich die Koalition endlich geschlossener aufstellen. Zeit wär’s.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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