Implantieren mit Roboterarm in den USA

Besser, schneller, kürzer?

Heftarchiv Zahnmedizin
mg

In den USA schwärmen in vereinzelten Medienberichten ZahnärztInnen über das Implantieren mit Roboterarm-Unterstützung. Der Eingriff sei dadurch schonender und sicherer, heißt es – was auch die Akzeptanz der PatientInnen erhöhe. Was ist dran an dem Hype?

Das von der US-Gesundheits-behörde FDA zugelassene, rund 200.000 US-Dollar teure System namens Yomi erlaubt laut Herstellerangaben während der Operation eine computergestützte Navigation, was sowohl in der präoperativen als auch in der chirurgischen Phase der Zahnimplantation helfen soll. Yomi sei für den Einsatz bei teilbezahnten und vollständig zahnlosen erwachsenen Patienten zugelassen und biete dem Behandelnden eine physische Führung durch haptische Robotertechnologie, die den Bohrer in Position, Ausrichtung und Tiefe einschränkt.

Gleichzeitig ermögliche die unterstützende Technologie dem Zahnarzt die vollständige Kontrolle, schreibt der Hersteller, „und ermöglicht im Gegensatz zu chirurgischen Schablonen aus Kunststoff eine klare Visualisierung der Operationsstelle.“ Yomi könne für lappenlose Zahnimplantatverfahren verwendet werden, dabei soll es zu einer kürzeren Operationszeit und einer schnelleren Genesung mit weniger Schmerzen führen.

Roboterassistierte Chirurgie hält zunehmend Einzug in die klinische Praxis. Wir haben unseren wissenschaftlichen Beirat Prof. Dr. Florian Beuer, Berlin, nach seiner Einschätzung dieser Technologien in der zahnmedizinischen Implantologie gefragt. Das Interview finden Sie auf Seite 12.

„Wir sollten uns in Europa mit diesen 
Technologien beschäftigen“

Nicht nur aus China, sondern auch aus dem kulturell uns etwas näheren Amerika kommen Meldungen über die Nutzung von Robotern beim Implantieren. Wie sieht es in Europa aus? Wird man sich hier demnächst auch stärker den Maschinen anvertrauen?

Florian Beuer: Mir ist bislang kein System bekannt, das in Europa im klinischen Alltagseinsatz ist. In Asien hat man früh in diese Richtung gedacht – man denke nur an die Nachricht von der automatisierten Implantation, die vor einigen Jahren durch die Medien ging. Im restaurativen Bereich habe ich vor vielen Jahren bereits an der Peking University einen Präparationsroboter gesehen, auch in der Schweiz gibt es ein großes Forschungsprojekt.

Ich denke, wir sollten uns auch in Europa mehr mit diesen Technologien beschäftigen. Bei uns in Deutschland ist heute immer noch die Freihand­implantologie sehr weit verbreitet – der Erfolg ist hier sehr behandlerabhängig. Jede gute technische Unterstützung hilft, das Ergebnis vorhersagbarer zu machen. Es wird übrigens auf der diesjährigen Tagung der American Academy of Prosthodontics einen Vortrag zu dem System Yomi geben, auf den ich sehr gespannt bin.

Das Verfahren soll Fehlbohrungen minimieren, die Behandlungszeit verkürzen und schonender für den Patienten sein. Wie ordnen Sie das ein? Marketing oder Realität?

Meiner Meinung nach ermöglichen auch die statische und dynamische Navigation eine präzise Umsetzung der Planung in den OP-Situs, es ist also bereits mit der heute verfügbaren und etablierten Technik möglich, Fehlpositionen auszuschließen. Ich kann mir zukünftig aber durchaus Vorteile der Roboter vorstellen, was Dinge wie Vorschub/Druck/Geschwindigkeit oder das auf die individuelle Situation des Patienten angepasste Aufbereitungsprotokoll angeht. Allerdings müssen wir immer bedenken, dass die Osseointegrationsrate der Implantate extrem hoch ist. Also grundsätzlich ist ein System wie Yomi interessant, echte klinische Vorteile sehe ich aber noch nicht.

Kritiker sagen, durch die zunehmende Einbindung von Assistenz- oder Automatiksystemen würden die chirurgischen Fähigkeiten verkümmern. Sehen Sie diese Gefahr?

Solange das Endergebnis besser ist als die heutige Standardtechnik, können wir das gut in Kauf nehmen. Es lässt sich sehr gut mit der Situation im Straßenverkehr vergleichen. Heute benutzt jeder, wenn er den Weg nicht kennt, ein GPS-unterstütztes Navigationssystem. Früher benutzte man eine Karte und seinen Orientierungssinn. Man kommt heute aber deutlich schneller ans Ziel, dafür nimmt man gerne in Kauf, dass der Orientierungssinn viel weniger ausgeprägt ist als früher.

Das Gespräch führte Benn Roolf.

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