Quereinsteigerinnen in der Zahnarztpraxis – Teil 3

Wie viel Potenzial steckt in Quereinsteigern?

Der Fachkräftemangel ist längst da, und wird immer spürbarer. In den ersten beiden Teilen der Serie haben wir die Zahlen zum Fachkräftemangel und die verschiedenen Strategien zur Bewältigung beleuchtet. Nun richten wir unseren Fokus auf eine besonders interessante Gruppe: die Quereinsteiger. Sind sie die Lösung für das Problem?

Die Umfrage der OPTI health consulting GmbH unter mehr als 130 Praxisinhaberinnen und Praxisinhabern im August 2023 gibt Aufschluss darüber, wie Quereinsteiger in der Dentalbranche wahrgenommen werden und welche Rolle sie in der Zukunft spielen könn(t)en. Ausgehend von den Praxen, deren Teams bereits durch Quereinsteiger verstärkt werden, und den nachgefragten Qualifikationen haben wir zuerst das Anforderungsprofil ermittelt.

Mehr als die Hälfte (56,52 Prozent) der befragten Praxisinhaberinnen und -inhaber hat bereits Erfahrungen mit Quereinsteigern gemacht (Abbildung 1). Deren Erfahrungen sind überwiegend positiv, mit einem durchschnittlichen Bewertungswert von 57,929 (Abbildung 2). Dies zeigt, dass Quereinsteiger, wenn sie richtig eingearbeitet werden, eine wertvolle Ergänzung für das Team sein können.

Teamfähigkeit und Lernbereitschaft sind für 67,85 Prozent der Praxisinhaber die Schlüsselqualifikationen bei Quereinsteigern. Daneben sind Erfahrung im Kundenservice (45,53 Prozent), ein medizinischer Hintergrund (37,5 Prozent) und IT-Kenntnisse (17,85 Prozent) gefragt (Abbildung 3). Einige betonen auch die Wichtigkeit guter Deutschkenntnisse und die Anpassungsfähigkeit an spezifische Assistenzaufgaben.

Wie gelingt der Onboarding-Prozess für Quereinsteiger?

Die Möglichkeiten des Onboardings für Quereinsteiger in zahnmedizinischen Praxen sind vielfältig. Laut der Umfrage setzen viele Praxen auf strukturierte Einarbeitungspläne und definieren klare Ziele. Einige nutzen das Modell des „Mitlaufens“, bei dem Quereinsteiger zunächst den erfahrenen Mitarbeitern zur Seite gestellt werden, um den Praxisalltag kennenzulernen.

Ein gut verprobter Ansatz ist die Verwendung von Mentoren oder Paten, die den neuen Mitarbeitern als Ansprechpartner dienen. Allerdings sollte man nicht übersehen, dass in vielen Praxen das bestehende Personal bereits stark beansprucht und oft ausgedünnt ist. Wir erinnern uns daran, dass 60 Prozent der Umfrageteilnehmer die Überarbeitung des verbleibenden Personals als Auswirkung des Fachkräftemangels im Alltag identifiziert haben (Der Teufelskreis aus Folge 1).

Wieder andere Praxisinhaber betonen die Notwendigkeit von Schulungen, insbesondere in den Bereichen der Terminologie und der Praxisverwaltungs-Programme. Hierbei wird oft auf das Qualitätsmanagement (QM) und praxisspezifische Handbücher zurückgegriffen, um den Einarbeitungsprozess zu unterstützen. Schließlich sind da noch die Praxen, die einen extra Onboarding-Prozess als wenig hilfreich empfinden, insbesondere wenn es um spezifische dentale Besonderheiten geht, oder er ist gar nicht vorhanden.

Unsere Experten ist da eindeutig: Um Quereinsteiger erfolgreich in die Praxis zu integrieren, sind Geduld und eine intensive Einarbeitung erforderlich. Es ist daher wichtig, die Einarbeitung an sich zu optimieren, beispielsweise digitale Schulungsangebote speziell für Quereinsteiger in Anspruch zu nehmen und sich einen detaillierten und sinnvollen Einarbeitungsplan zu machen, um zum einen das vorhandene Personal zu entlasten und zum anderen die Einarbeitungszeit zu verkürzen. Solche Schulungsangebote stellen eine gute Ergänzung zu der Einarbeitung in der Praxis dar.

Einarbeitungszeit

Während traditionell ausgebildetes Personal oft schneller in den Praxisalltag integriert werden kann, benötigen Quereinsteiger eine intensivere Einarbeitung. Laut unserer aktuellen Umfrage geben mehr als ein Drittel der Praxisinhaber (33,70 Prozent) an, dass für diese Gruppe eine Einarbeitungszeit von über sechs Monaten notwendig ist (Abbildung 4). Weitere 28,08 Prozent der Befragten berichten von einer Einarbeitungsphase von drei bis vier Monaten, während 19,1 Prozent eine Zeitspanne von ein bis zwei Monaten angeben. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, sowohl den Quereinsteigern als auch den Praxisteams ausreichend Zeit und Ressourcen für eine erfolgreiche Integration zur Verfügung zu stellen.

Team- und Praxisintegration

Circa die Hälfte der Praxisinhaber (50,72 Prozent) hat positive Erfahrungen gemacht und berichtet von einer reibungslosen Integration. Dies spricht für die Anpassungsfähigkeit sowohl der Quereinsteiger als auch der bestehenden Teams. Dennoch gibt es Praxen (34,78 Prozent), die anfängliche Hürden überwinden mussten. Diese Hürden sind auf Unterschiede in der Fachterminologie, in den Arbeitsabläufen oder bei den Erwartungen zurückzuführen. Eine Minderheit von 15,93 Prozent hat jedoch Schwierigkeiten, Quereinsteiger erfolgreich zu integrieren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, geeignete Strategien und Ressourcen zu entwickeln, um solche Herausforderungen zu bewältigen.

Erfolgsfaktoren für den Quer­einstieg in die Dentalwelt

Gezielte Fortbildungen müssten demnach insbesondere die Terminologie, die Hygienevorgaben und die Behandlungsabläufe abdecken. Neben der fachlichen Qualifikation müssen natürlich auch die Lernbereitschaft und das Engagement des Quereinsteigers vorhanden sein. Einige sehen insbesondere im Bereich der Anmeldung Potenzial für ehemalige Hotelfachkräfte. Insgesamt ist der Erfolg von Quereinsteigern eine Kombination aus

  • Fortbildungen,

  • ausreichend Zeit und

  • der Unterstützung der Praxis.


Wir haben es einmal verprobt

Vor unserer detaillierten Umfrage hatten wir die Gelegenheit, eng mit einer größeren Praxis aus Hessen zu kooperieren. In dieser Phase begleiteten wir den Onboarding-Prozess von drei Quereinsteigerinnen mit unterschiedlichen Berufshintergründen: eine Einzelhandelskauffrau, eine Bankangestellte und eine Fitnesskauffrau.

Um den Übergang zu ermöglichen, haben wir den Quereinsteigerinnen ein zahnärztliches Quereinsteiger-Fernstudium zur Verfügung gestellt. Sie sollten das Fernstudium vor dem Einstieg in die Praxis absolvieren und haben dafür einen kleinen Freizeitausgleich gezahlt bekommen. Dies hat es ihnen ermöglicht, schneller Aufgaben in der Praxis eigenverantwortlich zu übernehmen. Ein weiterer Vorteil war, dass die Integration ins Team dadurch deutlich reibungsloser als sonst verlief. Die Einarbeitungszeit für das bestehende Personal war nicht so belastend wie in früheren Einarbeitungsprozessen“, sagte der Praxisinhaber.

Das überzeugendste Ergebnis aus seiner Sicht war die erhebliche Reduzierung der Einarbeitungszeit im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen. „Durch die Fortbildung konnte die Einarbeitungszeit von sechs Monaten, die wir als Erfahrungswert hatten, auf circa zweieinhalb bis drei Monate reduziert werden. Wir hatten zudem weniger Spannungen im Team durch eine schnellere Entlastung.“

Einmal etwas vorgespult: Nach sechs Monaten machten wir eine weitere Bestandsaufnahme in besagter Zahnarztpraxis. Es verblieben Herausforderungen in tiefen Fachspezifika – wie beim Verständnis der Abrechnung und bei der Dokumentation der Behandlung. Hygiene, Patientengespräche und ein Großteil der Assistenz werden hingegen hervorragend gemeistert.

Fazit

60 Prozent der Praxisinhaber sehen in Quereinsteigern eine Chance, die Fachkräfte-Lücke zu schließen (Abbildung 5). Dies könnte durch gezielte Rekrutierungsstrategien, wie etwa Jobmessen oder Partnerschaften mit Bildungseinrichtungen, weiter gefördert werden. Um den Übergang zu erleichtern, werden bereits begleitende Quereinsteigerfortbildungen angeboten, die sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten vermitteln. Dennoch gibt es eine Minderheit von circa 40 Prozent, die skeptisch gegenüber der Einstellung von Quereinsteigern ist. Es ist wichtig, die Bedenken dieser Gruppe zu berücksichtigen und Lösungen zu finden, die sowohl die Vorteile von Quereinsteigern nutzen als auch die Qualität der Patientenversorgung sicherstellen.

Zahnärztinnen und Zahnärzte zählen zur meistgesuchten Berufsgruppe

Wie sich die Nachfrage nach Berufen in Deutschland verändert, zeigt eine aktuelle Jobmonitor-Analyse der Bertelsmann-Stiftung. Für das Ranking der gesuchtesten Arbeitskräfte wurden knapp 45 Millionen Online-Stellenanzeigen ausgewertet, die seit dem Jahr 2019 erschienen sind. Auf dieser Basis analysierte die Stiftung die Berufsnachfrage auf dem deutschen Arbeitsmarkt, räumlich ausgewertet bis auf die Ebene der 401 Kreise und kreisfreien Städte.

Ein Ergebnis: Mit dem ersten Pandemiejahr waren Human- und Zahnmediziner im Vergleich viel gefragter als zuvor. Die Berufsgruppe stieg von Platz 35 (2019) auf Platz 13 (2020) des Nachfragerankings auf. Im Jahr 2022 erreichte die Berufsgruppe Platz 18. „Mit einer Rangdifferenz von 17 Plätzen zwischen 2019 und 2022 stehen die Human- und Zahnmediziner damit an der Spitze der langfristigen Top-Aufsteiger über alle Berufsgruppen hinweg“, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Weitere Ergebnisse der Analyse: Den größten Zuwachs an Stellenausschreibungen gibt es im Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung. Hier stieg der Anteil an allen Stellengesuchen von 2019 auf 2020 um 3,5 Prozentpunkte. Heruntergebrochen auf Berufsgruppen zeigt sich, dass Fachkräfte in der Gesundheits- und Krankenpflege vom fünften Platz im Jahr 2019 auf den dritten Platz im Jahr 2020 aufstiegen. Aktuell liegt diese Berufsgruppe auf Platz acht bei den Stellenanzeigen. Gleich zwei Facharzt-Disziplinen befinden sich außerdem unter den Top 5 der Berufe, die in den Jahren 2019 bis 2022 bei den Stellengesuchen besonders weit aufgestiegen sind. Dazu gehören Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Innere Medizin.

„Zu wenige Studienplätze, unattraktive Arbeitsbedingungen und immer mehr altersbedingt ausscheidende Kolleginnen und Kollegen sind das Hintergrundrauschen, das die gesamte ärztliche Versorgung in Deutschland gleichermaßen prägt wie belastet", schlussfolgern die Autorinnen und Autoren.

Herdin, G., Baskaran, R., Fingerhut, J., Müller, J. (2023): Das große Berufe-Ranking: Wie sich die Nachfrage nach Berufen in Deutschland verändert. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung

Die Dentalbranche steht vor der Aufgabe, den Fachkräftemangel zu bewältigen, und Quereinsteiger könnten und werden eine vielversprechende Lösung darstellen. Einige Praxisinhaber haben bereits positive Erfahrungen mit ihnen gemacht, wobei die richtige Einarbeitung und die schnelle Integration entscheidend sind. Die geforderten Qualifikationen wie Grundkenntnisse in der Terminologie, IT-Kenntnisse und spezifische Fachkenntnisse können durch gezielte Fortbildungsangebote aufgebaut werden. Diese Fortbildungen haben das Potenzial, die Einarbeitungszeit zu verkürzen, die Einarbeitungsqualität zu erhöhen und das vorhandene Personal weiter zu entlasten.

Unbestreitbar ist, dass die Dentalbranche sich anpassen und innovative Lösungen finden muss, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu begegnen.

Mein abschließender Tipp: Quereinsteiger sollte man gezielt in aussterbenden Vor-Ort Bereichen von Branchen – beispielsweise Banken oder im Einzelhandel – rekrutieren. 

Christian Henrici

Gründer und Geschäftsführer der
OPTI health consulting GmbH
Lehrbeauftragter, Referent und Podcaster
für Personal und Businessplanung
henrici@opti-hc.de

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