Warum Sie beim Fehlermanagement ans Cheerleading denken sollten
Getreu dem Motto ,Ein fauler Apfel verdirbt das ganze Fass´, sollte die Praxisführung immer aufmerksam sein, um Folgefehler, eine Habitualisierung und fehlerhaften Prozessen vorzubeugen, sagt Dr. Anke Handrock. „Niemand macht gerne Fehler. Das ist neurologisch nachgewiesen. Sie sind uns unangenehm. Wir ärgern uns und versteifen uns womöglich. Das müssen wir überwinden und uns stattdessen fragen: Was kann ich stattdessen tun?“
Voraussetzung dafür sei eine Atmosphäre, in der Mitarbeitende offen über Fehler sprechen können. „Und das muss ausnahmslos für alle gelten, nicht nur für die Lieblinge des Chefs”, betont die Expertin. Handrock ist selbst Zahnärztin und arbeitet seit vielen Jahren als Coach mit Praxen zusammen, um Abläufe und Kommunikation in den Teams zu optimieren. Für sie steht fest: Nur wenn man sich traut, einen Fehler zu melden, können alle produktiv damit umgehen. „Stellen Sie sich vor, es verschwindet etwas aus dem Behandlungsraum oder es kommt zur Einbestellung zweier Patienten gleichzeitig – und keiner will's gewesen sein, weil alle fürchten, vor der Mannschaft vom Chef bloßgestellt oder runtergeputzt zu werden. Da meldet sich garantiert keiner, stattdessen wird geschwiegen und weitergemacht“, sagt Handrock. „Das ist kein Ausweg und eröffnet schon gar nicht die Chance, etwas zu verbessern!“
Anfeuern bis es sitzt!
Laut Handrock entstehen die meisten Fehler durch lückenhaftes oder falsches Anlernen. „Sabotage kommt selten vor. Wenn es doch dazu kommt, müssen Sie entsprechende Maßnahmen ergreifen. Auch das gehört selbstverständlich zum Fehlermanagement“, betont die Zahnärztin. Manche Mitarbeitende könnten auch mit komplexeren Prozessen überfordert sein. Sie machen Fehler – unbewusst oder aus Sorge, zu scheitern. „In solchen Fällen ist besonders sensibles Anlernen und Üben erforderlich, was allerdings oft durch begrenzte Personalressourcen erschwert wird“, weiß Handrock. Grundsätzlich ließen sich Fehler am ehesten durch strukturierte Anlernprozesse und positive Verstärkung beim Lernen vermeiden. Die Mitarbeitenden müssten die Prozesse verstehen und dann immer wieder anwenden.
Damit Lücken gar nicht erst entstehen, lohne es sich daher gerade während des Onboardings genügend Zeit und Raum für Rückfragen einzuräumen. Manche Fähigkeiten müssten auch schlicht durch wiederholtes Üben automatisiert werden. „Bitten Sie Ihre Mitarbeitenden, das Neue auszuprobieren und geben Sie ganz konkretes Feedback. Etwa: ,Bis hierhin war alles richtig, ab da machen Sie es bitte so...´. Motivieren Sie und loben Sie, was bereits gut läuft, anstatt zu streng zu sein. Das ist das Prinzip der positiven Verstärkung. Denken Sie an die Idee hinter dem Cheerleading beim Sport. Dort geht es ums Motivieren und Anfeuern, darum die eigene Begeisterung zu aktivieren und die Leistung zu steigern“, so Handrock.
Das Problem „Tomatensauce“
„Selbst bei gut beherrschten Prozessen unterlaufen Fehler, die man tolerieren muss – besonders, wenn Faktoren wie Müdigkeit eine Rolle spielen“, sagt Handrock und rät dazu, verständnisvoll zu reagieren und die Kompetenz der Person anzuerkennen, gerade wenn sie unter erschwerten Bedingungen arbeitet. „Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Restaurant und essen Spaghetti mit Tomatensauce. Wie immer geben Sie sich größte Mühe, damit Ihr Hemd oder Ihre Bluse nicht ruiniert wird und dann passiert es doch. Das heißt: Abweichungen vom üblichen Prozess passieren und Fehler können in alltäglichen Situationen auftreten, obwohl die Arbeit schon oft fehlerfrei durchgeführt wurde."
Auch die Angst vor Neuem und die damit verbundene Angst zu scheitern können Probleme verursachen. „Machen Sie sich daher von vornherein die Lernkurve klar und wiederholen Sie beziehungsweise Ihr Team die neuen Abläufe oder den Input so lange, bis er sitzt.“ Alle im Team sollten über Denkmuster wie „Das haben wir doch schon immer so gemacht“ hinwegkommen.
Die Einführung einer Fehlerkultur sei besonders in größeren Praxen eine Herausforderung. Den Chefinnen und Chefs gelinge es dort manchmal nicht, alle Vorfälle mitzubekommen. Nicht alle Mitarbeitenden stehen mit ihnen in Kontakt. „Für ein gutes Fehlermanagement ist es aber wichtig, dass die Führung über alle Vorgänge Kenntnis hat und darauf reagieren kann. Sonst verschleppen sich Missgeschicke oder, noch schlimmer, sie gewöhnen sich mit der Zeit an. Das wollen wir vermeiden“, so Handrock.
Auf einen Blick
Schaffen Sie ein Betriebsklima, in dem Mitarbeitende sich trauen, Fehler zu melden.
Haben Sie einen Blick auf alle Abteilungen und Ebenen.
Signalisieren Sie Offenheit und erkennen Sie an, was bislang gut lief.
Investieren Sie besonders in den Onboarding-Prozess, um Lücken zu vermeiden.
Tragen Sie durch positives Verstärken zu besserem Lernen bei.
Vergegenwärtigen Sie sich die Lernkurve.
Denken Sie immer daran: Übung macht den Meister!
Auch bei etablierten Prozessen können Fehler passieren. Ruhig bleiben!
Fazit
Auch bei gut eingespielten Prozessen können irgendwann Fehler auftreten, sei es aufgrund von Müdigkeit, Angst oder Überforderung. Wenn das immer wieder geschieht, kostet das alle Zeit und Nerven. Ein gutes Fehlermanagement zeichnet sich dadurch aus, dass Mitarbeitende ohne Angst Fehler melden und dann transparent die Prozesse optimiert werden, so dass alle daraus lernen können und sich die Arbeitsqualität verbessert. Signalisieren Sie Offenheit und konzentrieren Sie sich auf Anlernprozesse. Nehmen Sie wenn möglich etwas Tempo raus. Die Implementierung eines guten Fehlermanagements hängt auch immer von der persönlichen Einstellung ab. Es braucht Zeit, aber man lernt dazu. Mit Problemen fällt es schwerer umzugehen, während gut funktionierende Prozesse oft als selbstverständlich wahrgenommen werden.