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Praxisübernahme im ländlichen Raum

„Wir sind Generalisten vor Ort“

Auf dem Land ist man eher Generalist, es gibt weniger Konkurrenz, dafür viele persönliche Verbindungen und dankbare Patientinnen und Patienten. Praxisinhaber Stefan Aupperle und seine angestellte Kollegin Nadja Lang haben sich genau deshalb für Sulz entschieden.

Vor zehn Jahren hat Aupperle eine Zahnarztpraxis in der Kleinstadt Sulz am Neckar im Landkreis Rottweil übernommen. Knapp 13.000 Einwohner hat das Städtchen. Aktuell nehmen sie keine Neupatienten mehr auf, das Terminbuch ist voll. In Baden-Württemberg tun sich zwar noch keine Versorgungslücken auf, die sich anderswo bereits anbahnen, aber auch hier wird jede neue Niederlassung begrüßt.

Aupperle hat sich nach seinem Studium im Ruhrgebiet bewusst für ein Leben fernab der Großstadt entschieden. Er kehrte in die Heimat und damit zu seinen Wurzeln zurück, denn er ist in der Region aufgewachsen und mit ihr familiär verbunden, ebenso wie seine Frau. Sie schätzen die Ruhe und die Natur als Ausgleich zur Arbeit. „Es gibt wahrscheinlich weniger Möglichkeiten hier, aber dafür ist der Erholungswert nach Feierabend umso größer“, beschreibt er das Leben in Sulz. Das Haus mit Garten sei bezahlbar, ebenso die Miete für seine Praxis. „Insgesamt sind die Lebenshaltungskosten geringer. Allerdings braucht man ein Auto, wenn man hier lebt.“

Ein Vorteil sei natürlich die geringe Konkurrenz. „Dafür merken wir fast schon so etwas wie Patientendruck. Versorgt werden die Einwohner von gerade mal zwei Praxen mit insgesamt drei Zahnärzten", erzählt Aupperle. Er freut sich, dass er dadurch nahezu das gesamte Spektrum der Zahnmedizin bedienen kann. „Man muss sich keine Nische suchen, wenn man nicht möchte. Wir sind Generalisten vor Ort.“ Wer eine enge persönliche Bindung zu den Patienten schätzt, sei auf dem Land ohnehin besser aufgehoben, meint er.

Wie es eben auf dem Dorf läuft 

„In der Stadt hätte ich mich vielleicht sogar gelangweilt!“, erklärt seine Kollegin Lang. Sie gehört seit Januar 2023 zum Team der Praxis am Neckarufer, zunächst als Vorbereitungsassistentin. Zuvor hatte sie ihren vorherigen Chef um Rat gefragt: Welche Art von Praxis würde seiner Meinung nach am besten zu ihr passen? Seine Antwort fiel klar aus. „Also, habe ich mich umgehend am Neckarufer beworben!“ Aupperle lud sie direkt ein. „Mit ihm und seiner Frau harmonierte es auf Anhieb und ich wurde eingestellt. Wie es eben auf dem Dorf läuft: direkt und unkompliziert“, berichtet die Zahnärztin.

In der Stadt wäre sie nur „irgendeine Zahnärztin“ gewesen, glaubt sie. „Da ich zum Zeitpunkt meines Abschlusses in Heidelberg 2022 alleinerziehend war, wurde mir die Entscheidung relativ leicht gemacht, wieder in die Heimat zu ziehen. Ohne die Unterstützung von Großeltern und Freunden wäre es mit einem Kleinkind im Berufsleben kaum möglich gewesen“, schildert Lang ihre damalige Situation. Auf dem Land freuten sich die Praxen auch über eine alleinerziehende Mutter.

Anfangs wusste sie, sie muss aufs Land zurück, aber das Herz war noch lange in der Stadt in Heidelberg. „Mittlerweile bin ich voll und ganz hier und wirklich glücklich mit der gesamten Situation. Es hätte für mich nicht besser laufen können“, sagt Lang.

Aupperle habe ihr diese Möglichkeit eröffnet. „Natürlich ist meine Tochter auch mal krank, aber meistens finde ich eine Lösung und so bin ich doch mit sehr wenig Krankheitstagen in der Praxis und versorge täglich meine Patienten“, berichtet Lang. Der Praxischef habe ihr auch direkt viel Verantwortung übertragen. „So konnte ich in meiner Assistenzzeit super viel lernen. In der Stadt hätte ich mich vielleicht sogar gelangweilt, weil dort des Öfteren die Assistenzzahnärzte nicht ausgelastet sind und nur wenige Patienten behandeln dürfen – so haben es mir meine Kommilitonen erzählt.“

Man hilft sich

Hier im ländlichen Raum hingegen kennen sich die Zahnärzte und Praxen auch untereinander, man hilft sich in Notfällen und übernimmt gerne die Urlaubsvertretung. Und ja, man decke so ziemlich alles ab, berichten sie. Das Einzige, das die Praxis aktuell nicht anbietet, sind Implantationen und größere chirurgische Eingriffe.

„Empathie ist meine Superpower!“

Der ehemalige Inhaber der Praxis, Dr. Thomas Schlachta, hatte ein großes Herz für Senioren, betreute schon damals vier Heime und gab dort immer wieder Schulungen für Pflegekräfte. Nadja Lang trat seine Nachfolge an. „Ich fühlte mich tatsächlich gleich wohl in meiner Position – sowohl in der Praxis als auch in den Heimen und bei Hausbesuchen. Das Arbeiten mit dementen, multimorbiden Patienten ist ganz anders, man muss noch individueller an jeden Fall rangehen. Aber das liegt mir – Empathie ist meine Superpower“, lacht sie. 

Inzwischen betreut sie fünf Einrichtungen. Viel Freude machen Lang auch die Seminare für die Pflegerinnen und Pfleger. „Das mache ich außerhalb meiner regulären Arbeitszeit. Es ist eine logistische Herausforderung, aber ich sehe mit jedem weiteren Seminar Erfolge beim Personal, die ich nicht missen möchte.“ Allein in diesem Jahr war Lang rund 45 Mal außerhalb der Reihenuntersuchungen vor Ort in den Pflegeeinrichtungen – etwa aufgrund von Schmerzen oder Prothesenreparaturen. Im Oktober wird sie das Amt ihres Vorgängers als Senioren- und Behindertenbeauftragte des Landkreises Rottweil übernehmen. Auch diese Arbeit macht ihr viel Spaß, denn sie arbeitet mit anderen Zahnärzten zusammen, denen die Senioren ebenso am Herzen liegen. „Und sind wir mal ehrlich: Wir werden alle alt und jeder von uns würde gerne gut im Mundbereich versorgt sein, wenn es so weit ist! Insofern kann ich nur an alle Kolleginnen und Kollegen appellieren, denselben Weg zu gehen und eine Einrichtung zu betreuen.“

Aupperle ermutigt junge Kollegen, es mit der Niederlassung auf dem Land zu versuchen: Oft werde zeitnah kein Nachfolger gefunden und die Praxis gegebenenfalls zu günstigeren Konditionen abgegeben: „Der Einstieg in die Selbstständigkeit kann hier sogar leichter sein!"

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