Parlamentarischer Abend der DG PARO

Zahnärzte und Politiker diskutieren Wirksamkeit von Parodontitistherapien

nb/pm
"Wie bewerten wir die Wirksamkeit von Parodontitistherapien?" Die DG PARO lud Gesundheitspolitiker, Wissenschaftler sowie Vertreter der Zahnärzte, Krankenkassen und Patienten am vergangenen Mittwoch zum Parlamentarischen Abend nach Berlin.

Konkret ging es um die Hintergründe zur Nutzenbewertung der systematischen Therapie der Parodontopathien durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Das IQWiG hatte die Wirksamkeit der Therapie aus formalwissenschaftlichen Gründen Anfang 2017 infrage gestellt - die Zahnärzteschaft hatte daraufhin heftig widersprochen.


Prof. Dr. Christof Dörfer, Präsident der DG PARO, stellte auf dem Parlamentarischen Abend die zwei gegensätzlichen Einschätzungen der Nutzen-Bewertung erneut vor: Nach der vorläufigen Bewertung des IQWiG gibt es demnach keine Evidenz für die systematische Therapie von Parodontopathien - mit der Begründung, es lägen keine randomisierte kontrollierte Studien vor. Nach der Bewertung der Zahnärzteschaft und der DG PARO gibt es jedoch Evidenz, da die umfänglich vorliegenden wissenschaftliche Studien, systematische Reviews und Meta-Reviews sowie Leitlinien weltweit konsentiert, etabliert und anerkannt sind.

Prof. Winfried Walter, Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung, resümierte: „Das IQWiG hat — um Verzerrungen abzuwenden — unreflektiert rigide Verfahren eingesetzt, die selbst zu einer verzerrten Darstellung der Erkenntnislage zum Thema Systematische Therapie der Parodontopathien geführt hat."

Evidenzlage: Wissenschaftliche und empirische Belege der Parodontalbehandlung

Dörfer bekräftigte: "Die Parodontalbehandlung ist eine tradierte Therapie, zu der es eine Vielzahl an Forschungsergebnissen weltweit gibt, über alle Studiendesigns hinweg: von Fallberichten über Kohortenstudien bis hin zu systematischen Reviews. Bislang aber wurden keine systematischen Evidenzerhebungen im Studiendesign der RCTs gemacht. Sie fehlen schlichtweg historisch, aus formalwissenschaftlichen sowie ethischen Gründen. In Anbetracht langer Behandlungsverfahren sind sie auch nicht in kurzer Zeit nachzuliefern."

Und weiter: "Fakt ist, dass genügend wissenschaftliche Studien, systematische Reviews und wissenschaftliche Meta-Reviews vorliegen — die zudem weltweit konsentiert, etabliert und anerkannt sind. Deren Resultate sind eingeflossen in Leitlinien, die den behandelnden Zahnärzten in zahlreichen Ländern versorgungsnahe, differenzierte Entscheidungshilfen geben."

Zur methodischen Kritik sagte Dörfer: "RCTs haben ihre Berechtigung, aber auch ihre Limitationen. RCTs sind geeignet, einfache kausale Wirkzusammenhänge sicher und verzerrungsfrei zu bewerten. Bei steigender Komplexität des Untersuchungsgegenstands aber werden bei RCTs aus methodischen Gründen wichtige Rahmenbedingungen und Patientengruppen ausgeschlossen. Ihre Aussagen können dann also auch nur eingeschränkt gelten. Insofern stellt sich die Frage: Können alleine auf Basis von RCTs Nutzenbewertungen über ein komplexes Therapiesetting getroffen werden? Die Zahnärzteschaft und die DG PARO sagen: Nein. Für die Nutzenbewertung bei einem komplexen Setting von Faktoren wie bei Parodontopathien — übrigens wie bei anderen chronischen Krankheiten auch — müssen weitere erfahrungsbasierte Studiendesigns hinzugezogen werden. Diese Studien liegen vor."

Zu den Konsequenzen einer (negativen) Nutzenbewertung führte Dörfer aus: "Unsere Zahnärztinnen und Zahnärzte brauchen für die bestmögliche Behandlung ihrer Patienten jede verfügbare Information und Entscheidungshilfe." Im Falle einer negativen Nutzenbewertung durch das IQWiG stünden sie vor dem Dilemma, eine Parodontalbehandlung aufgrund fehlender Evidenz nicht mehr durchführen zu sollen. "Gleichzeitig wissen sie aber aus ihrer eigenen jahrelangen Behandlungspraxis sowie aus einer Vielzahl von Studien, dass Parodontalerkrankungen erfolgreich behandelt werden können — und zwar mit exakt den vom IQWiG negativ bewerteten Behandlungsstrategien und -verfahren. Was also sollen sie tun, um ihrer Pflicht nach bestmöglicher Versorgung ihrer Patienten nachzukommen?"

Forderungen an die Politik: "Das IQWiG muss seine Bewertungsmethodik anpassen!"

"Wir fordern die Unterstützung der Politik für einen Paradigmenwechsel in der Bewertungsmethodik des IQWiG. Das IQWiG muss davon überzeugt werden, seine Methodenstarrheit aufzugeben", betonte Dörfer im Anschluss. Bei der Nutzenbewertung der systematischen Therapie von Parodontopathien seien neben der ausschließlichen Evidenzbemessung durch RCTs auch und vor allem Leitlinien zu berücksichtigen.

  • sie Aussagen auf verschiedenen Sicherheitsebenen / Qualitätsstufen treffen

  • die Einschätzung von Studien einem formalisierten Vorgehen folgt

  • dieses Vorgehen aber nicht auf eine starre und ausschließende Methodik reduziert istund

  • sie vielmehr aus einer multidisziplinären Beurteilung der Evidenz entstehen, das heißtunter Einbeziehung aller Mitspieler im Gesundheitssystem.

Auszug aus

Christof DörfersStatement "Hintergründe zur Nutzenbewertung der systematischen Therapie der Parodontopathien durch das IQWiG"

Zudem werde das Instrument der Leitlinien in nahezu allen Ländern weltweit eingesetzt. "Leitlinien kommen auch den Anforderungen einer personalisierten Zahn-Medizin am nächsten", stellte Dörfer fest.

Eine negative Nutzenbewertung würde zu einer Verunsicherung der praktizierenden Zahnärztinnen und Zahnärzte führen und nicht absehbare negative Folgen haben. Es wäre ein frevelhaftes Unterlassen, den 11,5 Millionen schwer parodontal erkrankten Menschen in Deutschland eine systematische Therapie von Parodontopathien vorzuenthalten sowie die Bevölkerung durch eine negative Bewertung des IQWiG zu verunsichern und von wichtigen Präventions- und Therapiemaßnahmen in der erhaltenden Zahnmedizin abzuhalten.

"Die Möglichkeit eventueller Verzerrungen in der Messmethodik rechtfertigt nicht, wichtige empirische Forschungserkenntnisse auszublenden — aus ethischen Gründen, aber auch aus versorgungspolitischen und gesundheitsökonomischen Gründen", sagte Dörfer. "Wir können Parodontitis eindämmen durch konsequente Prävention und systematische Therapie. Das zeigen auch die Daten der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie. Dafür müssen Patienten aber motiviert und instruiert werden, nicht verunsichert."

Die Politik und der G-BA seien nun gefordert, dies zu verhindern und die wissenschaftliche Fachgesellschaft DG PARO, die BZÄK, die KZBV und die gesamte Zahnärzteschaft darin zu unterstützen, eine erfolgreiche Therapie fortzusetzen und für eine angemessene Honorierung dieser Leistungen zu sorgen.

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