Finanzgericht Rheinland-Pfalz

Arbeitsteilung in Zahnarztpraxis kann zu Gewerbebetrieb führen

ck/pm
Praxis
Eine Gemeinschaftspraxis gilt insgesamt als Gewerbebetrieb - und ist damit gewerbesteuerpflichtig - wenn einer der Zahnärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten erbringt.

Geklagt hatte eine in Rheinhessen ansässige Partnerschaftsgesellschaft, in der sich mehrere approbierte Zahnärzte zur gemeinsamen Ausübung der zahnärztlichen Behandlung von Privat- und Kassenpatienten zusammengeschlossen haben. Im Streitjahr erzielte die Praxis Umsatzerlöse von rund 3,5 Millionen Euro, wovon nur etwa 900 Euro auf einen der Seniorpartner entfielen, der hauptsächlich für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig war.

Nach einer Betriebsprüfung kam das Finanzamt zu der Auffassung, dass die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis nicht mehr als freiberuflich, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren seien, weil bei einer freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft jeder Gesellschafter die Merkmale selbstständiger Arbeit in eigener Person erfüllen müsse.

Jeder Gesellschafter muss auch freiberuflich tätig sein

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht die Klage der Zahnärzte ab: Bei einer Gemeinschaftspraxis müsse jeder der Gesellschafter (= Zahnarzt) in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufs erfüllen, das heißt, nicht nur über die persönliche Berufsqualifikation verfügen, sondern die freiberufliche Tätigkeit tatsächlich auch entfalten. Dabei müsse die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt sein.

einen großen Teil der ärztlichen Leistungen muss er selbst erbringen

Diese Tätigkeit könne nicht ersetzt werden – auch nicht durch eine besonders intensive  leitende Tätigkeit, wie die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse. Ein Mediziner schulde eine höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten und müsse deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen.

Grundsätzlich sei zwar eine gewisse Arbeitsteilung beziehungsweise „Teamarbeit“ erlaubt. So könne der Arzt in „Routinefällen“ die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten oder die Erbringung der eigentlichen ärztlichen Behandlungsleistung an angestellte Ärzte delegieren.

Ansonsten ist der Gesellschafter gewerblich tätig

Erforderlich sei aber, dass sich jeder Zahnarzt als Gesellschafter kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation an der „Teamarbeit“ im arzttypischen Heilbereich beteilige. Übernehme er (nahezu) nur kaufmännische Leitungs- oder sonstige Managementaufgaben, sei er nicht freiberuflich, sondern gewerblich tätig. Dies führe dazu, dass die gesamte Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis als gewerblich anzusehen sei.

Wenn Gesellschafter einer Personengesellschaft teilweise freiberuflich und teilweise gewerblich tätig sind, ist ihre Tätigkeit den Richtern zufolge nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu bewerten. Die Tätigkeit des gewerblich tätigen Arztes „infiziere“ die Tätigkeit der freiberuflichen Ärzte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Revision wurde zugelassen.

Finanzgericht Rheinland-PfalzAz.: 4 K 1270/19 –Urteil vom 16. September 2021

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