Warnung vor profitorientierten Praxisketten
Ein entschlossenes Handeln der Bundespolitik zu investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) forderten Ärzteverbände in Bayern. Die Spitzen von Kassenärztlicher Vereinigung Bayerns (KVB), Bayerischer Landesärztekammer (BLÄK), Bayerischem Hausärzteverband (BHÄV), dem Dachverband Bayerischer Fachärztinnen und Fachärzte (DBFF) und Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) plädierten dafür, der zunehmenden Einflussnahme von renditeorientierten Kapitalinvestoren auf die ambulante Versorgung endlich Einhalt zu gebieten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe bereits im Dezember 2022 angekündigt, gesetzliche Maßnahmen in Bezug auf die profitorientierten Ketten von Arztpraxen ergreifen zu wollen, erinnerten sie. Trotzdem liege immer noch kein Gesetzentwurf vor. Private-Equity-Gesellschaften dominierten weiterhin die ambulante Versorgung, indem sie Arztpraxen zu Ketten zusammenfügten. Dies habe in einigen Regionen Deutschlands inzwischen monopolartige Strukturen geschaffen und die Patientenversorgung beeinträchtigt, heißt es.
„Abrechnungsdaten zeigen eine Tendenz zur Über- und Fehlversorgung“
Die Verbände führten weiter an, dass sich iMVZ vorwiegend in Großstädten ansiedelten, während ländliche Regionen von deren angeblicher Versorgungsleistung kaum profitierten. Abrechnungsdaten zeigten eine Tendenz zur Über- und Fehlversorgung in iMVZ im Vergleich zu Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften (BAG). Private-Equity-Firmen zielten ferner auf den Wiederverkauf von Praxisketten. Dies erhöhe den Druck auf angestellte Mediziner, lukrative Behandlungen durchzuführen, argumentierten sie weiter. Zudem entzögen die oft in Steueroasen ansässigen Investoren dem Solidarsystem wichtige Ressourcen. Junge Ärztinnen und Ärzte könnten sich keine eigene Praxis mehr leisten und würden in die Anstellung gedrängt.
KZVB: „Ausverkauf der Zahnmedizin muss gestoppt werden“
Auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) forderte Lauterbach auf, ein iMVZ-Gesetz vorzulegen. Der Ausverkauf der Zahnmedizin müsse schnellstmöglich gestoppt werden. Anderenfalls sei die flächendeckende Versorgung gefährdet, warnte die KZVB gestern in einer Pressemeldung. Sie verwies auf eine Sendung des ZDF-Magazin „Frontal“ vom 23. Juli über den Vormarsch internationaler Investoren in der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung. Der Vorsitzende der KZV Nordrhein hatte in dem Beitrag Zahlen präsentiert, wonach investorenfinanzierte MVZ (iMVZ) deutlich mehr pro Fall abrechneten als Einzelpraxen. Dies decke sich mit eigenen Auswertungen, erklärte die KZVB.
Dr. Rüdiger Schott, Vorsitzender des Vorstands der KZVB, erklärt hierzu:„Internationale Investoren haben die ambulante Versorgung als lukratives Betätigungsfeld entdeckt. Sie streben vor allem hohe Renditen an. Aber Medizin ist keine Ware, Patienten sind keine Kunden. Hinzu kommt, dass sich iMVZ nahezu ausschließlich in den städtischen Ballungsräumen ansiedeln. Sie beschleunigen das Praxissterben auf dem Land und befördern den Konzentrationsprozess. Wir fordern seit Langem, dass der Betrieb eines MVZ ausschließlich Ärzten oder Zahnärzten erlaubt ist. Heuschrecken haben in Medizin und Zahnmedizin nichts verloren.“
Die Ärzteverbände konkretisierten ihre Forderungen in sechs Punkten:
Der Schutz der Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen muss gewährleistet sein.
Über die nachgelagerten Inhaberstrukturen eines MVZ muss Transparenz gewährleistet sein.
Eine wettbewerbsfeindliche Anbieterdominanz muss verhindert werden.
Die Freiberuflichkeit muss gestärkt werden.
Zulassungsausschüsse müssen prüfen, ob MVZ eine ordnungsgemäße vertragsärztliche Versorgung gewährleisten können.
Disziplinarmaßnahmen müssen auch gegen MVZ verhängt werden können.