Europas Kinderärzte fordern Zuckerabgabe und Werbeverbote
Die steigende Prävalenz von ernährungsbedingten Erkrankungen und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen stellt eine ernsthafte gesundheitspolitische Herausforderung dar, machen die Pädiatrischen Berufsverbände deutlich. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben längst den Zusammenhang zwischen hohem Zuckerkonsum und Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen belegt. Eine Zuckersteuer, wie sie bereits in Großbritannien erfolgreich eingeführt wurde, könne einen wirksamen Beitrag zur Reduktion des Zuckerkonsums leisten, lautet darum ihre Botschaft.
Die Arbeitsgruppe der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich und Südtirol fordert daher konkret:
Die Einführung einer Zuckerabgabe auf stark zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke, um den Zuckerkonsum insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zu senken, Herstellende zur Reduktion des Zuckergehalts zu motivieren und Einnahmen für Präventionsmaßnahmen bereitzustellen.
Ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Lebensmittel, um die gezielte Beeinflussung junger Konsumentinnen durch Marketingstrategien zu unterbinden und gesunde Ernährungsgewohnheiten zu fördern.
Die Arbeitsgruppe der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten fordert die politischen Entscheidungsträger auf, diese Maßnahmen zügig umzusetzen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Prävention ernährungsbedingter Erkrankungen zu leisten.
„Kinder werden tagtäglich mit Werbung für Snacks, Süßigkeiten und Limonaden überflutet – mit gravierenden Folgen für ihre Gesundheit. Eine Zuckerabgabe und wirksame Werbebeschränkungen sind längst überfällig, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken“, betont Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten (BVKJ).
Wahl der dreistesten Werbelüge des Jahres
Die Wahl zum Goldenen Windbeutel 2025 ist eröffnet: Verbraucherinnen und Verbraucher können jetzt auf www.goldener-windbeutel.de bis zum 13. Juli abstimmen, welches Produkt den Negativpreis für die dreisteste Werbelüge des Jahres erhalten soll.
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat fünf Kandidaten nominiert, die beispielhaft für Irreführung im Supermarkt stehen: den norwegischen Räucherlachs von Fish Tales, den „Dirtea Glow”-Eistee von Shirin David, den Schokoriegel „Menstru Chocbar” von Innonature, die Milka Alpenmilch von Mondelez und die Rama-Margarine der Flora Food Group. „Von der Zuckerbombe mit Schönheitsversprechen über die „natürliche” Industrie-Margarine bis zur Schoko-Packung, die heimlich geschrumpft ist – die diesjährigen Kandidaten des Goldenen Windbeutels zeigen: Irreführung im Supermarkt ist kein Ausrutscher, sondern ein Geschäftsmodell“, sagte Dr. Rebekka Siegmann von foodwatch.
Das sind die fünf Kandidaten für den Goldenen Windbeutel 2025:
Atlantischer norwegischer Räucherlachs von Fish Tales:
Das Unternehmen Fish Tales bewirbt seinen Räucherlachs auf der Verpackung als „nachhaltig und umweltgerecht gezüchtet„. Das aufgedruckte ASC-Siegel soll nicht nur eine „verantwortungsvolle Fischzucht“ garantieren, sondern verspricht auch, dass die Herkunft des Fischs bis zur Farm zurückverfolgt werden kann. Doch Fish Tales weigert sich, Auskunft über die konkrete Zuchtfarm zu geben. Stattdessen nennt die Firma gegenüber foodwatch den norwegischen Konzern Grieg Seafood als Bezugsquelle, bei dem es zu schwerwiegenden Tierschutzverstößen gekommen istDirtea Glow von Dirtea GmbH
Die Rapperin Shirin David verspricht bei ihrem „Dirtea Glow”, den sie gemeinsam mit dem Getränkehersteller Pfanner auf den Markt gebracht hat, einen sichtbaren Glow-Effekt für „schöne Haut und Nägel" – tatsächlich handelt es sich um einen überzuckerten Eistee mit unnützem Zusatz von Zink und Biotin. Dr. Yael Adler, Hautärztin und Autorin des Buchs „Genial ernährt!”, kritisiert: „Freier Zucker schädigt (..) direkt die Haut und das Bindegewebe: Durch Glykationsprozesse werden Kollagenfasern im Gewebe verklebt und verlieren ihre Elastizität, was die Haut schneller altern lässt und Faltenbildung begünstigt.”Menstru Chocbar von Innonature GmbH
Die Firma Innonature bewirbt ihren zuckrigen Schokoriegel „Menstru Chocbar” mit dem Slogan „mit allem, was Dein Körper und Deine Seele braucht”. Mit Eisen, rotem Maca und Vitamin B6 soll er zum Wohlbefinden während der Menstruation beitragen, obwohl das für keinen der drei Inhaltsstoffe nachgewiesen ist. Der 38-Gramm-Riegel würde den schlechtesten Nutri-Score E erhalten und kostet auch noch stolze 3,90 Euro.Milka Alpenmilch von Mondelez
Die „Milka Alpenmilch” ist ein dreistes Beispiel für „Shrinkflation“. Mondelez hat den Packungsinhalt von 100 g auf 90 g verringert – und kurz vorher den Preis von 1,49 Euro auf 1,99 Euro erhöht. Die Verpackungsgröße ist dabei gleichgeblieben. Eine versteckte Preiserhöhung von 48 Prozent!Rama von Flora Food Group
Hersteller Flora Food Group bewirbt seine Rama Margarine prominent mit „100 % natürliche Zutaten“. Doch wer ein Naturprodukt erwartet, wird enttäuscht. Rama enthält – wie andere Margarinen auch – zahlreiche Zusatzstoffe und industriell hergestellte Zutaten, die mit einem natürlichen Produkt wenig zu tun haben.Um auf das Problem der Verbrauchertäuschung im Lebensmittelbereich hinzuweisen, verleiht foodwatch seit 2009 den Goldenen Windbeutel – 2025 zum 14. Mal. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Trinkjoghurt Actimel von Danone (2009), die Milch-Schnitte von Ferrero (2011) und das „Smart Water“ von Coca-Cola (2018). Vergangenes Jahr gewann Alete bewusst für seine zuckrigen „Obsties” den Negativpreis. Viele Hersteller reagierten auf die foodwatch-Kritik. 2022 etwa stoppte Rewe eine irreführende „klimaneutral“-Werbung auf Hähnchenfleisch.
Unterstützung durch Fachverbände
Die Forderungen werden von den führenden Fach- und Berufsverbänden unterstützt, darunter der BVKJ in Deutschland, Kinderärzte Schweiz (Berufsverband der Kinder- und Jugendärzten in der Praxis), die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), die Association Française de Pédiatrie Ambulatoire (AFFPA) sowie die Kinderärzte freier Wahl (Südtirol). Diese Organisationen setzen sich seit Jahren für eine gesunde Ernährung und Prävention ernährungsbedingter Erkrankungen ein.