Sind Gebühren bei No-Shows legal?
Bislang wüssten jedenfalls beide Seiten nicht genau, was erlaubt ist, kommentierte das niedersächsische Justizministerium die Lage. Das Amt hatte den Prüfauftrag in die Justizministerkonferenz eingebracht und Bundesjustizministerin Dr. Stefanie Hubig (SPD) soll nun untersuchen lassen, ob weitere gesetzliche Regelungen notwendig sind.
Aus der Sicht von Meike Schmucker, Rechtsanwältin und Expertin für Medizinrecht bei der Kanzlei Voß & Partner aus Münster, ist dieser Prüfauftrag allerdings „eher vage“ formuliert. „Trotzdem steht ohne Frage fest, dass Praxen – vor allem solche ohne Überweisungszwang wie Zahnarztpraxen – unter No-Shows und den daraus resultierenden betriebswirtschaftlichen Einbußen leiden können“, sagt die Juristin.
Die Praxen bewegen sich nicht in einem rechtsfreien Raum
Die Arztpraxen bewegten sich hier aber nicht in einem rechtsfreien Raum. Während die Zulässigkeit von Ausfallhonoraren in der Vergangenheit aufgrund unterschiedlicher Urteile seitens der Amts- und Landgerichte umstritten war, hat der Bundesgerichtshof mit einer Entscheidung aus 2022 (Az.: III ZR 78/21, Urteil vom 12. Mai 2022) Bedingungen definiert, wann Praxisinhaberinnen und -inhabern ein Ausfallhonorar verlangen dürfen.
„Damit ein solcher Anspruch im Einzelfall tatsächlich durchsetzbar ist, müssen die einschlägigen Vorgaben sorgfältig eingehalten werden“, erklärt Schmucker. Dazu gehört laut der Anwältin, dass es sich um eine sogenannte Bestellpraxis handelt, die Termine in der Praxis exklusiv für einzelne Patientinnen und Patienten reserviert. Idealerweise existiert für die terminierten Behandlungen eine schriftliche, von beiden Seiten unterzeichnete Vereinbarung. Daraus sollte unter anderem das explizit mit Datum und Uhrzeit zu benennende Zeitfenster hervorgehen und eine angemessene Reaktionszeit zur Terminabsage vereinbart werden. „Im Streitfall muss die Praxis beweisen können, dass ihr ein konkret bezifferbarer Umsatzausfall entstanden ist, weil kein Ersatz im betreffenden Zeitfenster gefunden werden konnte“, so die Medizinrechtlerin.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht genau das kritisch. Zwar räumte auch er ein, dass die Rechtslage im Bereich der No-Shows geprüft werden sollte. Die Problematik ist aus seiner Sicht jedoch eine andere. „Pauschale Ausfallhonorare sind mit der Etablierung privater digitaler Terminvermittlung in der ärztlichen Versorgung häufiger geworden“, betonte Thomas Moormann, der beim vzbv das Ressort Gesundheit und Pflege leitet. Rechtlich sei das aus seiner Sicht jedoch sehr umstritten, da bei Ärztinnen und Ärzten selten ein Verdienstausfall entstehe. Moormann: „Sie haben selten Leerlauf, die Wartezimmer sind voll, es sind immer Arztbriefe zu schreiben oder andere Tätigkeiten zu erledigen.“
Haben Ärzte überhaupt einen Verdienstausfall?
Rechtsanwältin Schmucker erwartet hier eine Einzelfallprüfung: „Man kann nicht pauschal sagen, dass No-Shows kompensiert werden können. Es kommt auf die Organisation und das Leistungsspektrum der jeweiligen Praxis an.“ Während die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass ein Ausfallhonorar beispielsweise aufgrund eines nicht wahrgenommenen zahnmedizinischen Kontrolltermins einer gerichtlichen Überprüfung standhält, könnten die Erfolgsaussichten bei einer komplexen und zeitaufwendigen zahnprothetischen Behandlung ganz anders aussehen. „In solchen Fällen könnten Zahnärzte durchaus belegen, dass sie den entstandenen betriebswirtschaftlichen Verlust nicht durch andere Patienten am betreffenden Tag kompensieren konnten“, meint die Juristin.
Aber: In jedem Fall sei der Abschluss einer wirksamen Ausfallhonorarvereinbarung und die gerichtliche Durchsetzung im Streitfall mit Schwierigkeiten verbunden.