„Herr Haesler, jetzt bekommen Sie auch noch meinen größten Schatz“
Es muss so etwa um das Jahr 1925 gewesen sein, als in Frankfurt am Main ein Patient die Praxis des Dentisten R. Hammerschmied betrat. Dieser fertigte daraufhin eine umfangreiche Brücke für den Oberkiefer mit diversen Gold- und Richmond-Kronen an. „Eine tolle, wirklich hervorragende Arbeit“, sagt Museumsleiter Andreas Haesler sichtlich begeistert „So etwas konnten sich damals nur echt reiche Leute leisten.“
Sehen wir uns die Brücke genauer an: 16 Goldkrone, 15 Goldkrone, 14 Brückenglied mit keramischer Verblendung, 13 Goldkrone, 12 Richmond-Krone, 11 Richmond-Krone, 21 Richmond-Krone, 22 Brückenglied mit keramischer Verblendung,, 23 Goldkrone, 24 und 25 Brückenglieder mit keramischer Verblendung. Der State of the Art rund 50 Jahre nachdem der US-Zahnarzt Cassius M. Richmond 1876 seine Ringstiftkrone (Richmond’s crown) in die Welt gebracht hatte, also die Idee, die Krone als gegossenen Einstück-Stiftaufbau in der Zahnwurzel zu verankern und mit Porzellankeramik zu verblenden.
Mehr als ein Wimpernschlag in der Dentalhistorie
Doch unser Exponat ist mehr als eine dentalhistorische Momentaufnahme aus den 1920er-Jahren. Denn die Geschichte ging weiter: In der NS-Zeit emigriert der Patient in die Welt – und scheint verloren. Doch dann das Wunder, in den 1950ern öffnet derselbe Patient wieder die Praxistür. Die Brücke muss erneuert werden.

Inzwischen arbeitet der Sohn, Dr. Klaus Hammerschmied, mit in der Praxis, sieht das über 30 Jahre alte Meisterstück seines Vaters und handelt mit dem Patienten einen Deal aus. Im Gegenzug für eine kostenlose Behandlung beziehungsweise Neuanfertigung erhält er die alte Prothese. Abgemacht.
Und er hütet die Arbeit des Vaters wie einen Schatz und bewahrt sie bis ins neue Jahrtausend hinein. Als er dann, ungefähr 2010 muss es gewesen sein, mit Haesler zusammensitzt und sich entschließt, seine Sammlung nach Zschadraß zu übergeben, sagt er plötzlich zu seiner Frau den einen Satz, an den Haesler sich bis heute erinnert: „Rosi, hol mal bitte die rote Kassette! Jetzt bekommt der Herr Haesler, jetzt bekommen Sie auch noch meinen größten Schatz!“ So geschah es.
Wie so vieles im Dentalmuseum: ein primus inter pares – oder wie Haesler sagt, „das ist eines meiner Lieblinge“. Den er bald im „Blauen Gewölbe“, der Schatzkammer des Museums, platzieren will.
Bisher in dieser Serie erschienen sind:
zm 1-2/2025: Goodbye Amalgam!
zm 3/2025: Wohin mit meinem Bohrer?
zm 4/2025: „Wien hat’s nicht, Linz hat’s nicht, und Utrecht auch nicht“
zm 5/2025: Ein Lehrstück in plastischer Anatomie
zm6/2025: „Die wollte ich schon haben“
zm 7/2025: Zwei in eins – der Papageienschnabel
zm 8/2025: „Das Bild wird einen Ehrenplatz bekommen“
zm 9/2025: Der Optimax – strahlend mundspülen
zm 10/2025: Auf den Schultern von Riesen
zm 11/2025: Für Zoologen: der Wattepellet-Igel
zm 12/2025: Ich packe meinen Koffer
zm 13/2025: Der Schädel der Schande